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6. August 2019
Neue Haftungsfalle für Makler: Verjährung des Stammrechts in der BU

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Neue Haftungsfalle für Makler: Verjährung des Stammrechts in der BU

Wiederkehrende Leistungen sind „mitverjährt“

Tatsächlich war die ursprüngliche Ablehnung aus 2010 unrichtig, weil schon seinerzeit Berufsunfähigkeit gegeben war. Gegen die ursprüngliche Entscheidung war die Versicherungsnehmerin aber nicht rechtzeitig vorgegangen. Daran änderte auch der neue Leistungsantrag nichts, mit dem sie weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend machte. Aufgrund der Verjährung des Stammrechts im Zusammenhang mit dem ersten Leistungsantrag waren auch die wiederkehrenden Leistungen „mitverjährt“.

Da das Stammrecht verjährt ist und damit dem Versicherungsnehmer auch die nachfolgenden Einzelleistungen verwehrt sind, hält der BGH zudem auch eine Gesamtbetrachtung für interessengerecht und begründet dies weiter: Der Versicherer wäre unbillig belastet, wenn er sich Jahre nach der Leistungsablehnung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen und angesichts des Zeitablaufes typischerweise nur noch unter Schwierigkeiten aufklärbaren Versicherungsfall auseinandersetzen müsste. Der Gedanke des Rechtsfriedens und Schuldnerschutzes spreche für die Verjährung des Stammrechts und den Sinn und Zweck der Verjährung.

Ist die Entscheidung gerecht?

Was allerdings nicht interessengerecht sein kann, ist Folgendes: den Versicherungsnehmer deshalb als ausreichend geschützt anzusehen, weil er gegen die unrichtige Entscheidung bereits den Klageweg hätte einschlagen können, anstatt dass er zunächst abwartet und bei Verschlechterung seiner Gesundheit einen neuen Antrag stellt – nach dem Motto „jetzt bin ich aber wirklich berufsunfähig“. Die Begründung des BGH ist so nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. So ist die Situation des Versicherers mit der einer Prüfung im Nachprüfungsverfahren nach § 174 VVG durchaus vergleichbar. Denn auch dort werden erst nach Ablauf einer längeren Leistungszeit Gesundheitsänderungen beurteilt. Eine weitere Aufklärung des Versicherungsfalles mag rückwirkend zwar erschwert sein, jedoch bedarf es einer solchen für den Fall einer Verjährung lediglich bezüglich der früheren Ansprüche, nicht jedoch unbedingt hinsichtlich der zukünftigen. Es dürfte gerade auch nicht interessengerecht und vom Gesetzgeber auch nicht so vorgesehen sein, dem Versicherer das Recht einzuräumen, eine zunächst unrichtige Entscheidung zu revidieren und sich später auf eine Verjährung wegen der unrichtigen Entscheidung zu berufen. Das Berufen auf eine unrichtige Entscheidung, um den Verjährungseinwand zu begründen, dürfte jedenfalls treuwidrig sein.

Fall mit Verjährung des Stammrechts abgeschlossen

Zur weiteren Aufklärung hat der BGH den Fall demnach folgerichtig an die Vorinstanz zurückverwiesen. Damit gibt es weitere gewichtige Gründe, die einer Verjährung der Ansprüche des Versicherungsnehmers entgegenstehen. Der BGH begründet weiterhin auch, dass ein Versicherungsfall mit der Verjährung des Stammrechts abgeschlossen ist. Tritt ein weiterer Versicherungsfall ein, erwirbt der Versicherungsnehmer ein neues Stammrecht. Ein neuer Versicherungsfall tritt ein, wenn neue gesundheitliche Beeinträchtigungen eine neue Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit zu mindestens 50% verursachen.

Konsequenz: Mehr Prüfpflichten für den Makler

Die Bestätigung der Verjährung des Stammrechts, also des Rechts auf Berufsunfähigkeitsleistungen insgesamt, ist eine haftungsträchtige Entwicklung für Versicherungsmakler. Keine für den Versicherungsnehmer nachteilige Entscheidung des Versicherers sollte ohne rechtliche Prüfung akzeptiert werden. Das gilt sowohl für Ablehnungen als auch für Kulanzentscheidungen, die vor diesem Hintergrund ebenso haftungsträchtig sein dürften. Die Regelverjährungsfrist endet drei Jahre nach der Entscheidung des Versicherers zum Ende des Jahres, wobei auch Kulanzentscheidungen darunterfallen.

Bild: © freshidea – stock.adobe.com

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2019, Seite 124 f. und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Kathrin Pagel

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Markus Lörch am 06. August 2019 - 10:53

Liebe Frau Pagel,
ich verstehe nicht so ganz inwiefern hier die Vermittler in die Haftung mit hineingezogen werden. Der Vermittler kann eine solche komplexe juristische Beratung nicht machen und darf es auch nicht. Ob der Kunde hier klagen möchte oder nicht oder sich mit einem Vergleich abfinden lassen möchte entscheidet doch er selbst und nicht der Vermittler. Ich würde mich bei einem solch strittigen Sachverhalt auch in jedem Fall raushalten und den Kunden an einen Rechtsanwalt verweisen. Also wo bitte haftet hier der Makler?

Gespeichert von Kathrin Pagel … am 06. August 2019 - 12:50

Lieber Herr Lörch,
es ist eine diffizile Situation, bei der eine kompetente juristische Beratung erforderlich werden könnte, da stimme ich Ihnen zu. In der Praxis wird der Vermittler des Vertrauens sehr oft von seinem Kunden gefragt, ob er diesen oder jenen Vergleich mit dem Versicherer schließen oder wie er sich entscheiden sollte. In dieser herausfordernden Situation kann sich für den Makler ein Haftungsrisiko ergeben. Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Spezialmaterie mit vielen Herausforderungen.

Gespeichert von Stephan Schulz… am 12. August 2019 - 17:04

Sehr geehrte Frau Pagel,
evtl. habe ich es auch überlesen. Bitte teilen Sie uns doch das entsprechende Aktenzeichen zu diesem Verfahren mit, sodass wir einmal nachlesen können, um welche Versicherung es sich hier handelt. Oder noch einfacher wäre es, wenn Sie sie kurz benennen.