Ein Beitrag von Gerald Mützel, Nachfolgeberater bei MÜTZEL BSV, ehemaliger Inhaber und Vorstand der MÜTZEL Versicherungsmakler AG
Der Verkauf eines Versicherungsmaklerbetriebs ist mehr als eine geschäftliche Transaktion – es ist ein tiefer Einschnitt im Leben des Inhabers. Denn ein Maklerunternehmen ist in der Regel nicht einfach nur ein Geschäftsmodell, sondern über Jahre gewachsenes Lebenswerk. Nach dem Verkauf taucht oft eine Frage auf, die von außen harmlos wirkt, innerlich aber vieles aufwühlt:
„Und, was machst du jetzt?“
Wer jahrzehntelang der Kopf, die Stimme und das Gesicht eines Maklerbüros war, sieht sich plötzlich mit einem Leben konfrontiert, das ohne Kundenanfragen, Vertragsgespräche oder Jahresgespräche auskommt. Die Freiheit ist da – aber auch die Leere.
Ich weiß das, weil ich genau dort stand. Plötzlich keine Policen mehr – und ganz viel Zeit. In den ersten Wochen nach dem Verkauf war ich euphorisch. Keine Anträge, keine Telefonate, keine Verantwortung für Mitarbeiter oder Kunden. Der Alltag, der früher von ständigen Terminen und Entscheidungen geprägt war, wurde still. Doch mit der Stille kam auch eine Unsicherheit. Was fange ich mit all dieser Zeit an?
Und vor allem: Wer bin ich jetzt, wenn ich nicht mehr der „Makler meines Hauses“ bin?
Diese Identitätsfrage ist viel tiefgehender als gedacht. Denn viele Makler – mich eingeschlossen – definieren sich über Jahrzehnte durch ihre Tätigkeit: durch das Vertrauen ihrer Kunden, ihre Expertise, ihren Ruf. Wenn das plötzlich wegfällt, entsteht ein Vakuum.
Wege, die sich auftun – und was sie bedeuten
- Als Coach oder Berater weitermachen
Viele ehemalige Makler werden nach dem Verkauf als Coaches oder Berater tätig – für jüngere Kollegen, Nachfolger oder andere Unternehmer. Man kennt die Branche, hat Vertrauen aufgebaut und kann wertvolle Impulse geben. Aber Vorsicht: Wer nicht loslassen kann, läuft Gefahr, sich wieder zu tief zu verstricken. Begleitung ist etwas anderes als Führung.
- Beteiligungen oder Investitionen in andere Maklerbetriebe
Einige steigen als stille Teilhaber oder Business Angels bei jungen Maklerfirmen ein. Man bringt Know-how und Kapital ein – aber ohne operative Verantwortung. Das funktioniert allerdings nur, wenn man wirklich Abstand wahren kann und sich nicht wieder „heimlich“ in operative Fragen einmischt.
- Ehrenamtliche Tätigkeiten – auch außerhalb der Branche
Ein erfüllender Weg kann auch das soziale oder ehrenamtliche Engagement sein. Viele haben durch ihre Berufsjahre viel Menschenkenntnis und Organisationstalent gesammelt – Fähigkeiten, die in Vereinen, Verbänden oder Stiftungen gefragt sind.
- Ein völlig neuer Lebenstraum
Vielleicht gab es immer schon den Wunsch, ein Instrument zu lernen, ein Buch zu schreiben, oder einfach das Wohnmobil zu packen und Europa zu erkunden. Jetzt ist die Zeit. Aber: Auch diese Träume müssen aktiv gelebt werden – sie kommen nicht automatisch ins Rollen.
- Bewusst nichts tun – zur Ruhe kommen
Nicht selten ist der erste Schritt einfach: nichts tun. Mal ausschlafen, ohne schlechtes Gewissen. Mal ein paar Wochen reisen, ohne Rückrufbitte auf der Mailbox. Viele Makler unterschätzen, wie wohltuend diese Phase sein kann – nicht als Flucht, sondern als Regeneration.
Was dabei hilft, den eigenen Weg zu finden
Es gibt keine Patentlösung für die Zeit nach dem Verkauf. Aber ein paar Fragen, die helfen können:
- Was habe ich in den letzten Jahren vernachlässigt, weil die Firma alles war?
- Worauf freue ich mich, wenn ich an meine freie Zeit denke – und was macht mir Angst?
- Will ich gebraucht werden – oder darf ich auch einfach genießen, nicht mehr zuständig zu sein?
Diese Fragen ehrlich zu beantworten ist manchmal der schwierigste, aber auch befreiende Teil.
Fazit: Der Abschied vom Maklertisch ist nicht das Ende – sondern der Anfang
Der Verkauf eines Maklerunternehmens ist kein Schlusspunkt. Er ist ein Übergang. Ein Übergang zu mehr Freiheit – aber auch zu mehr Eigenverantwortung für das eigene Leben.
Ob Sie diese Zeit nutzen, um zu beraten, zu reisen, zu engagieren oder zu entspannen – entscheidend ist, dass Sie sie bewusst gestalten. Denn:
Wer sein Lebenswerk erfolgreich abgeschlossen hat, darf sich auch einen Lebenstraum erfüllen.
Abschluss
Dieser Artikel ist Teil einer aufeinander aufbauenden Reihe aus insgesamt fünf Artikeln zum Thema Unternehmensnachfolge und -verkauf. Die ersten vier Artikel sind unter den folgenden Links aufrufbar:
Vom Unternehmer zum Übergeber: Der emotionale Wert des Verkaufs
Verkaufen oder doch noch warten – die schwierigste Entscheidung
Die plötzliche Leere nach dem Verkauf
Nicht der Preis ist das Problem, sondern der Abschied vom Ich
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