Wichtige Ergebnisse
Im Vergleich zu der Kontrollgruppe löste bei allen Experimentalgruppen allein der Umstand, dass Brutto- und Nettotarife alternativ angeboten wurden, eine signifikant höhere Abschlussbereitschaft sowohl bei den Nettopolicen als auch bei den Bruttopolicen aus. Allerdings entschieden sich die Probanden insgesamt mehrheitlich (64,7%) für den Bruttotarif. Selbst bei dem günstigsten Nettotarif (500 Euro Honorar) entschieden sich noch 54,4% der Teilnehmer für den (teureren) Bruttotarif. Die Autoren der Studie folgern daraus, dass „größere Anteile der Probanden sich nicht so entscheiden, wie es rational zu erwarten wäre“. Die Aufschlüsselung des Honorars mit dem offengelegten Stundenaufwand (Gruppen 4 bis 6) führte zu „keiner erkennbar höheren Akzeptanz“ der Nettotarife.
Kritische Anmerkungen
Hier ist kein Raum für eine breitere Darstellung der weiter ins Detail gehenden Studie und eine ausführliche Analyse. Dennoch seien einige kritische Anmerkungen erlaubt.
Da ist zum einen der 100-Euro-Ansatz. Er erinnert ein wenig an strukturierte Vertriebsmethoden im Sinne von „bei uns nimmt jeder 100 Euro“. Die gesetzlich zwingend notwendige und vorgeschaltete Bedarfsermittlung fällt bedauerlicherweise unter den Tisch. Natürlich ist eine differenzierte Einbeziehung des Prozesses der Bedarfsermittlung im Rahmen einer Studie sicher schwierig. Dennoch wäre es interessant zu wissen, wie die Entscheidungen der Probanden ausgefallen wären, wenn eine ordnungsgemäße Befragung und Beratung vorausgegangen wäre.
Überhaupt wird ein Vermittler von Nettotarifen seine Kunden über die Vorteile seines Honorartarifs ordentlich aufklären. Dass Kunden sich bei der privaten Rentenversicherung nicht rational entscheiden, ist eigentlich eine Binse. Der längst verstorbene frühere Verkaufsguru Axel J. Bertling verwies in seiner ihm eigenen Art gerne auf die glänzenden Voraussetzungen für einen erfolgreichen Vertrieb: „Der Kunde kann nicht rechnen und kann nicht lesen.“ Das beschreibt zugespitzt die auch heute noch vorzufindende Ausgangssituation: Kunden verstehen in der Breite keine finanzmathematischen Zusammenhänge (Stichwort Barwertbetrachtung) und befassen sich auch nicht mit den Inhalten und Wirkweisen von Versicherungen und Finanzdingen. Es ist Aufgabe des Vermittlers, die Komplexität der angebotenen Versicherungen so auf die Laiensphäre des Kunden herunterzubrechen, dass dieser die wesentlichen Inhalte verstehen kann.
In der Studie wird leider nicht darauf eingegangen, warum ein deutlich über dem von der BaFin festgestellten gewichteten Mittel in Höhe von 2,17% liegender Effektivkostenabzug in Höhe von 2,5% angesetzt wurde. Bei der Nettopolice liegt der Effektivkostenabzug immer noch bei 2%, was die Frage aufwirft, was mit dem nach dem Merkblatt 01/2023 der BaFin notwendigen Ausgleich der Rückvergütungen der Fondsgesellschaften ist. Die BaFin hat in dem Merkblatt verschiedene Möglichkeiten des Ausgleichs aufgezeigt. Gerade bei Nettopolicen wird ein professioneller Vermittler darauf achten, dass die Rückvergütungen dem Kunden zukommen und den Effektivkostenabzug dadurch deutlich reduzieren. Darauf im Rahmen einer Studie differenziert einzugehen, ist naturgemäß komplex und deshalb schwierig, zumal der Ausgleich der Rückvergütung je nach Gesellschaft auch bei Bruttopolicen erfolgt.
Fazit
Die Studie hat eine wichtige Frage angestoßen, aber noch nicht abschließend beantwortet. Ob ein ordnungsgemäß aufgeklärter Kunde sich gegen einen Nettotarif entscheidet, obwohl dieser deutlich günstiger ist als ein Bruttotarif, muss bezweifelt werden.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2025 und in unserem ePaper.
Seite 1 Notizen zur Studie „Wert unabhängiger Versicherungsberatung“
Seite 2 Wichtige Ergebnisse

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