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26. November 2025
PKV: „Leistungsausschlüsse halte ich für wenig sinnvoll“
PKV: „Leistungsausschlüsse halte ich für wenig sinnvoll“

PKV: „Leistungsausschlüsse halte ich für wenig sinnvoll“

Auf der einen Seite sorgen teils hohe Beitragsanpassungen in der PKV für Diskussionen, auf der anderen Seite wächst der Bestand der vollversicherten Personen erstmals seit längerer Zeit wieder. AssCompact hat mit Tim Bökemeier darüber gesprochen, wie sich die Zielgruppen verändern, welche Trends er in den Tarifen sieht und wie sich Vorerkrankungen auf die Chancen eines PKV-Einstiegs auswirken.

Interview mit Tim Bökemeier, Gründer und Betreiber von PKV-Welt
Herr Bökemeier, die Prämien in der privaten Krankenversicherung sind in den letzten Jahren deutlich geklettert. Gleichzeitig ist der Bestand der privat vollversicherten Personen nach längerer Zeit wieder gestiegen. Wie haben sich diese Entwicklungen auf die Nachfrage zur Beratung zu einem Wechsel in die PKV ausgewirkt?

Die Beiträge in der PKV wurden in den vergangenen Jahren immer wieder angepasst, was viele Menschen aufmerksam verfolgen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Nachfrage nach einer Beratung steigt. Viele interessieren sich für die langfristigen Vorteile in der PKV wie garantierte Leistungen und schnelleren Zugang zu Fachärzten. Wie wichtig dieses Thema den Menschen ist, bestätigt unsere aktuelle Studie zur Terminvergabe PKV vs. GKV.

Auch in der GKV sind die Beiträge in den letzten Jahren gestiegen, sogar stärker als in der PKV – beide Systeme müssen mit den wachsenden Gesundheitskosten umgehen. Hinzu kommen in der GKV längere Wartezeiten und die Gefahr von Leistungskürzungen, was die PKV für viele als attraktive Alternative erscheinen lässt.

Welche Gründe führen Kunden, die an einem Wechsel in die PKV interessiert sind, denn am häufigsten an?

Die häufigsten Gründe sind ein besserer Zugang zur medizinischen Versorgung, deutlich kürzere Wartezeiten bei Fachärzten und die Möglichkeit, den Versicherungsschutz individuell zusammenzustellen. Auch Leistungen wie moderne Behandlungsmethoden, hochwertige Zahnversorgung oder Einbettzimmer im Krankenhaus spielen für viele eine wichtige Rolle.

Viele unserer Kunden teilen uns mit, dass sie zunehmend skeptisch auf die Zukunft der GKV blicken. In den Medien ist immer wieder von möglichen Leistungskürzungen oder deutlichen Beitragserhöhungen die Rede – eine Entwicklung, die verständlicherweise für Verunsicherung sorgt.

Haben sich die Zielgruppen, die offen für einen Wechsel in die PKV sind, in den letzten Jahren geändert?

Ja, hier beobachten wir tatsächlich eine spürbare Veränderung. Zum einen ist es vor allem die junge, gut verdienende Zielgruppe, die sich für die PKV interessiert. Hinzu kommt mittlerweile eine zweite Gruppe: Angestellte sowie Selbstständige und Freiberufler – etwa Ärzte, Steuerberater oder Rechtsanwälte, die ins Versorgungswerk einzahlen. Sie sind heute deutlich besser über ihre Rentensituation in der GKV informiert als noch vor einigen Jahren – und genau dieses Wissen führt dazu, dass viele von ihnen einen Wechsel in die PKV anstreben.

Eine Studie aus Ihrem Haus zeigt, dass die Gesamtzufriedenheit mit der PKV deutlich höher liegt als in der GKV – trotzdem haben ganze 62% bereits darüber nachgedacht, wieder in die GKV zu wechseln. Warum?

Die Zahl ist vor allem auf ältere Versicherte zurückzuführen, die ihre Entscheidung für die PKV vor vielen Jahrzehnten getroffen haben. Damals waren die Kalkulationsgrundlagen und die gesetzlichen Mechanismen zur Beitragsstabilität noch nicht so ausgereift wie heute. Das hat bei manchen im Alter zu höheren Belastungen geführt.

Meines Erachtens hat sich auch die Beratungsqualität bei Maklern spürbar verbessert. Dadurch sind Kunden beim Einstieg in die PKV heute deutlich besser informiert, und das primäre Ziel ist nicht mehr nur die Beitragsersparnis. Gerade die jüngere Generation trifft ihre Entscheidung daher auf einer ganz anderen Grundlage.

Welche „Trends“ sehen Sie gerade bei PKV-­Tarifen? Sehen Sie stärker modular aufgebaute Tarife, mehr nachhaltig orientierte Tarife oder Tarife, wo der Fokus stärker auf Prävention liegt?

Wir sehen aktuell tatsächlich eine Mischung aus allen genannten Entwicklungen. Viele Versicherer haben ihre Tarife in den letzten Jahren neu ausgerichtet und dabei sowohl modularere Strukturen als auch nachhaltige Komponenten integriert. Parallel dazu wächst der Fokus auf Prävention – etwa durch Vorsorgeprogramme, die über dem gesetzlichen Standard liegen, und digitale Gesundheitsangebote. Versicherer verstehen sich zunehmend als Gesundheitspartner, der aktiv Unterstützung zur Förderung und Erhaltung Ihrer Gesundheit bietet!

Das Ziel ist klar: den Kunden ein zeitgemäßes und hohes Leistungsniveau zu bieten, das sich an ihren individuellen Bedürfnissen orientiert.

Menschen mit Vorerkrankungen haben es häufig schwer, in die PKV aufgenommen zu werden, oder werden nur mit Risikozuschlägen oder Leistungsausschlüssen aufgenommen. Hat sich die Vorgehensweise auf Versichererseite hier in den letzten Jahren geändert?

Grundsätzlich hat sich an der Vorgehensweise wenig verändert. Nach wie vor prüft jeder Versicherer individuell das Risiko – mit eigenen Kriterien und Bewertungsmaßstäben. Das kann dazu führen, dass ein Antrag bei einem Anbieter abgelehnt wird, während ein anderer denselben Antrag annimmt – mit oder ohne Risikozuschlag. Für Interessenten mit Vorerkrankungen ist deshalb entscheidend, die Unterschiede zwischen den Gesellschaften zu kennen und gezielt zu vergleichen.

Vor allem im psychischen Bereich gibt es vermehrt Diagnosen. Einige Versicherer haben hier auch Änderungen gemacht, um Menschen mit psychischen Vorerkrankungen leichter aufzunehmen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Ja, das stimmt. Wir beobachten, dass einige Versicherer bei psychischen Vorerkrankungen inzwischen deutlich individueller prüfen. Statt pauschal abzulehnen, werden häufig Behandlungszeiträume oder -intensitäten differenzierter betrachtet. In der Praxis bedeutet das, dass beispielsweise eine abgeschlossene Therapie, die mehrere Jahre zurückliegt, heute weniger kritisch gesehen wird als noch vor einigen Jahren.

Das eröffnet Interessenten die Möglichkeit, auch mit einer solchen Vorgeschichte in die PKV aufgenommen zu werden – allerdings immer auf Basis einer genauen Einzelfallprüfung.

Sind Leistungsausschlüsse eine gute Option? Oder ist es für manche Menschen mit Vorerkrankungen eine bessere Option, in der GKV zu bleiben und mit Zusatzversicherungen zu arbeiten?

Die Frage lässt sich nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Persönlich halte ich Leistungsausschlüsse für wenig sinnvoll, da sich das Risiko über die gesamte Vertragslaufzeit nur schwer verlässlich einschätzen lässt. Zudem wird häufig übersehen, dass private Zusatzversicherungen in diesem Punkt keine wirkliche Alternative darstellen, denn auch dort können Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge vereinbart werden. Am Ende muss jeder Kunde für sich abwägen, welches finanzielle Risiko er tragen kann oder möchte. Ein Beispiel verdeutlicht das: Ein Leistungsausschluss für eine Fehlsichtigkeit ist ein eher überschaubares Risiko, während etwa ein Ausschluss bei einer Kinderwunschbehandlung deutlich schwerer zu bewerten ist.

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Ein Interview mit
Tim Bökemeier