Gerade bei der Beteiligung mehrerer Vertriebspartner an einem Vermittlungsvorgang kann schnell Streit darüber entstehen, welchem Vertriebspartner die ganze Provision oder wem welcher Anteil hiervon gebührt. Um solche Streitigkeiten zu vermeiden, sehen viele Handelsvertreterverträge Reglungen zur Provisionszuordnung und -teilung vor. Dass solche Regelungen im Handelsvertretervertrag jedoch keine Zuordnung der Provisionen nach Belieben des Versicherers ermöglichen, zeigt ein aktuelles von der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow für einen Handelsvertreter erstrittenes Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2020 (Az.: 41 O 18755/17).
Versicherer soll über Provisionsverteilung entscheiden
In einem Handelsvertretervertrag war eine Provisionsklausel enthalten, welche vorsah, dass wenn mehrere Handelsvertreter an einem Vermittlungsvorgang beteiligt sind, es dem Versicherer oblag, über die Provisionsverteilung zu entscheiden. Im Zweifel sollten die AV-Nummer und die Unterschrift unter dem Antrag entscheidend sein.
Handelsvertreter begehrt Provisionsbeteiligung für drei Verträge
Mit einer solchen Provisionsverteilung wollte sich ein Handelsvertreter jedoch in dem vom LG München I zu entscheidenden Fall nicht zufrieden geben. Anlass der Streitigkeit war die Vermittlung zweier Lebensversicherungen und eines Darlehensvertrages. Dabei enthielt lediglich der Antrag einer Lebensversicherung die Unterschrift des Handelsvertreters. Der Antrag der anderen Lebensversicherung, sowie der Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrags enthielten hingegen die Unterschrift eines anderen Vertriebspartners des Versicherers. Der Handelsvertreter begehrte jedoch für alle drei Verträge eine Provision, da er sich an der Beteiligung aller drei Verträge beteiligt fühlte. Der Versicherer verwies hingegen auf die Bestimmung des Handelsvertretervertrages.
Jeder beteiligte Vermittler kann Provision fordern
Das Landgericht München I folgte jedoch der Argumentation der Kanzlei Jöhnke & Reichow und kam zu dem Schluss, dass die Regelung des Handelsvertretervertrages unwirksam sei. Nach Ansicht des Gerichts verdeutlichte die streitentscheidende Provisionsregelung des Handelsvertretervertrages nicht, nach welchen Maßstäben und nach welchen Kriterien eine Zuteilung erfolge. Deswegen sei die Klausel unwirksam. Mangels wirksamer Regelung des Handelsvertretervertrages könne daher jeder am Vermittlungsvorgang beteiligte Handelsvertreter eine Provision fordern.
Rechtliche Prüfung von Provisionsklauseln lohnenswert
Mit Blick auf den Darlehensvertrag konnte das Gericht im Rahmen einer Beweisaufnahme davon überzeugt werden, dass der Handelsvertreter vermittelnd tätig geworden ist und ihm somit eine Provision zusteht. In Bezug auf die Lebensversicherungen konnte dieser Nachweis jedoch nicht geführt werden. Nach Verrechnung des Provisionsanspruches für die Vermittlung des Darlehensvertrages mit dem geringeren Provisionsrückforderungsanspruch aus der Vermittlung einer Lebensversicherung verblieb am Ende jedoch trotzdem ein Anspruch zugunsten des Handelsvertreters. Die Entscheidung zeigt damit, dass die Formulierung von Provisionsklauseln im Handelsvertretervertrag tückisch sein kann und es sich durchaus lohnt, die Provisionszuordnung des Versicherers im Einzelfall zu hinterfragen bzw. einer rechtlichen Überprüfung zuzuführen.
Über den Autor
Jens Reichow ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die Kanzlei hat sich unter anderem auf den Bereich Handelsvertreterrecht spezialisiert.
Bild: © fotomek – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können