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29. April 2020
Run-Off bei den Lebensversicherern: FDP kritisiert Regierung, BaFin und die EZB

Run-Off bei den Lebensversicherern: FDP kritisiert Regierung, BaFin und die EZB

Die FDP fürchtet, dass weitere Lebensversicherer ihre Bestände über Run-Off-Plattformen abwickeln und hieraus Nachteile für Versicherungsnehmer entstehen. Das geht aus einer Anfrage hervor, welche die Oppositionsfraktion vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik gestellt hat. Der federführende Abgeordnete Frank Schäffler zeigt sich mit den vorgelegten Antworten und der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden.

Auch wenn die Corona-Krise weiterhin die Nachrichtenlage dominiert, darf eine weitere besorgniserregende Entwicklung nicht aus dem Blick geraten: Das vorherrschende Null- und Negativzinsumfeld. Dies war auch der Anlass, der den Finanzexperten und Bundestagsabgeordneten, Frank Schäffler gemeinsam mit seiner Fraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung stellen ließ, in der es um die Auswirkungen der Null- und Negativzinsen auf die private Altersvorsorge in Deutschland ging. Die nun vorliegenden Antworten stellen ihn jedoch in keiner Weise zufrieden.

Risikobegrenzung durch Run-Off

Gerade für die Verbraucher erwartet Schäffler negative Auswirkungen, durch die zunehmende Tendenz von Lebensversicherern, ihre Altbestände über externe Run-Offs abzuwickeln und so das Risiko auszulagern, das sich aufgrund des Missverhältnisses zwischen Garantiezins und Realzins ergibt. „Es ist zu befürchten, dass immer mehr Lebensversicherungen in Run-Off-Plattformen übertragen werden. Dies stellt das Altersvorsorgeprodukt „Lebensversicherung“ vor ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es zielt auf das langfristige Sparen und Absichern, tatsächlich werden die Bestände aber weitergereicht. Dies erfordert eine bessere Beteiligung der Interessen der Lebensversicherungskunden“, gibt er zu bedenken.

Sieben Lebensversicherer im externen Run-Off

Aus den vorliegenden Antworten der Bundesregierung ergibt sich, dass die von Schäffler geäußerte Sorge nicht unberechtigt ist. So gab es laut Zahlen der BaFin seit 2014 sieben Versicherer, die ihren Lebensversicherungsbestand auf eine externe Run-Off-Plattform übertragen haben. Die BaFin verzeichnete weitere elf Fälle, in denen Lebensversicherer fusionierten bzw. ihre Bestände auf andere Lebensversicherer übertragen haben, die keine Run-Off-Plattformen darstellen. Drei Lebensversicherer meldeten der BaFin, dass sie ihr Neugeschäft eingestellt hätten (interner Run-Off).

122,5 Mrd. Euro in Beständen externer Run-Off-Plattformen

Von den insgesamt 1.600 Mrd. Euro Vertragsvolumen, die kapitalbildende Lebensversicherungen in Deutschland ausmachen, befinden sich laut Angaben der Bundesregierung 122,5 Mrd. Euro in Beständen von externen Run-Off-Plattformen. Wenn es um die den Versicherungsnehmern gewährte Überschussbeteiligung geht, weicht die Gesamtverzinsung von Versicherungsbeständen in laufenden Unternehmen von jenen im Run-Off ab. Im Branchendurchschnitt werden die Vertragsguthaben mit 2,38% verzinst, wogegen in den Run-Off-Beständen nur eine Verzinsung von 2,29% anfällt.

BaFin muss für Transparenz im Run-Off sorgen

Im Zuge dessen kritisiert Schäffler auch die Arbeit der BaFin. Seiner Ansicht nach müsse die Aufsichtsbehörde mehr Transparenz zeigen, wenn es um die Run-Off-Problematik geht. Die Versicherungsnehmer müssten umfassend über die Eigentümerstrukturen und die Solvenz von Run-Off-Plattformen aufgeklärt werden, um die Übertragung überhaupt informiert beurteilen zu können.

Widerspruchsrecht für Kunden gegen Run-Off

Der Politiker geht davon aus, dass die Run-Off-Problematik weiter bestehen bleiben wird und der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen müsse, um die Rechte der Verbraucher zu stärken. „Vollversicherer, die aktives Neugeschäft betreiben, werden die Ausnahme und Bestandsverwalter die Regel sein. Darauf muss die Politik reagieren“, fordert der Abgeordnete. „Wir schlagen ein Widerspruchs- und Wechselrecht der Lebensversicherungskunden bei der Übertragung auf eine Run-Off-Plattform vor. Eine Übertragung des Vertrages darf nicht ohne die Zustimmung des Versicherungsnehmers erfolgen.“

Aktuell 75,2 Mrd. an Zinszusatzreserve

Aus den Antworten der Bundesregierung ergeben sich auch weitere Erkenntnisse über das regulatorische Umfeld, in dem Lebensversicherer aktuell agieren müssen. So halten diese, laut Zahlen der BaFin, Zinszusatzreserven in Höhe von 75,2 Mrd. Euro zurück, um auch im anhaltenden Niedrigzinsumfeld die Garantien gegenüber ihren Kunden erfüllen zu können. Auf welche Summe die Zinszusatzreserve im Jahre 2021 jedoch anwachsen müsste, wenn das derzeitige Zinsniveau bestehen bliebe, konnte die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Antwort auf die Anfrage der Oppositionsfraktion noch nicht mitteilen.

Keine Entscheidung zum Höchstrechnungszins

Des Weiteren hat die Bundesregierung immer noch keine Entscheidung getroffen, ob der Höchstrechnungszins abgesenkt werden soll und wenn ja, auf welchen Prozentsatz. Auch das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP hervor. Die Deutsche Aktuarvereinigung e. V. (DAV) hatte zuletzt eine Absenkung des Höchstrechnungszinses von aktuell 0,9% auf 0,5% gefordert. (AssCompact berichtete)

EZB soll ihre monetäre Staatsfinanzierung beenden

Wie zu erwarten, stößt sich die FDP-Bundestagsfraktion insgesamt auch an der anhaltenden Notenbankpolitik der EZB. „Risiko und Haftung müssen auch bei Staatsschulden bzw. bei Staatsanleihen wieder zur Geltung kommen. Derzeit vernichtet die EZB die Zinsen in der Eurozone“, merkt Schäffler an und fordert weiter: „Die EZB muss ihre monetäre Staatsfinanzierung beenden und ihre ultralockere Geldpolitik mäßigen. Im ersten Schritt böte sich an, die Einlagefazilität der Banken bei der EZB wieder positiv zu verzinsen.“ (tku)

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