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22. November 2019
Rückforderung einer Invaliditätsleistung kann unzulässig sein

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Rückforderung einer Invaliditätsleistung kann unzulässig sein

Erstbemessung und Neubemessung

Der Bundesgerichtshof stellt ausdrücklich klar, dass der Rückforderungsanspruch nicht daran scheitere, dass sich der Versicherer in seiner Erklärung über die Leistungspflicht das Recht auf Neubemessung nicht vorbehalten habe. Zur Begründung führt der Senat aus, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ersichtlich sei, dass in den Bedingungen zwischen Erst- und Neubemessung differenziert werde. Er könne den Bedingungen weiter entnehmen, dass das Vorbehaltserfordernis nur für die Neubemessung gelte und hieraus schlussfolgern, dass der Unfallversicherer nicht deswegen an seine Erstbemessung gebunden sei, weil er sich das Recht der Neubemessung nicht (rechtzeitig) vorbehalten habe.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs kann das Rückforderungsverlangen jedoch unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt. Liege ein solches Verhalten vor, sei der Versicherungsnehmer schutzwürdig.

Vertrauenstatbestand geschaffen

Ein solch widersprüchliches Verhalten sah der Bundesgerichtshof auch im vorliegenden Fall: Der Versicherer habe durch seine Formulierungen aktiv einen Vertrauenstatbestand geschaffen und bei dem Kläger den Eindruck erweckt, drei Jahre nach dem Unfallereignis die Höhe der vertraglich geschuldeten Leistungen endgültig erklären zu wollen. Er hatte das eingeholte Gutachten als „Abschlussgutachten“, die Leistungshöhe als „abschließend“ und die überwiesene Invaliditätssumme als „Leistung“ bezeichnet. Darüber hinaus hatte er dem Versicherungsnehmer am Ende seines Schreibens „für die Zukunft alles Gute“ gewünscht. Dadurch, so das Gericht, habe er bei dem Versicherungsnehmer aktiv ein Vertrauen in die erbrachte Leistung hervorgerufen. Der Versicherungsnehmer sei daher schutzwürdig und der Versicherer könne, die zu viel erbrachte Leistung, nicht zurückfordern.

Ausdrücklich nicht entschieden wurde die Frage, ob es dem Unfallversicherer in dem Fall, dass er das Recht auf Neubemessung nicht ausgeübt hat, verwehrt ist, seine geleistete Invaliditätsleistung ganz oder teilweise zurückzufordern, wenn sich allein aufgrund eines von Seiten des Versicherungsnehmers initiierten Neubemessungsverfahrens ergibt, dass sich dessen Gesundheitszustand im Vergleich zur Erstbemessung verbessert hat.

Beratungstipp

Stellt sich die Erstbemessung nachträglich als zu hoch dar und fordert der Versicherer die zu viel gezahlte Leistung zurück, sollte stets geprüft werden, ob dem Rückforderungsverlangen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden kann.