AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
21. Februar 2023
Sind bei Glasbruch Ursache und Zeitpunkt relevant?

Sind bei Glasbruch Ursache und Zeitpunkt relevant?

Ein Versicherungsnehmer ging gegen seinen Versicherer wegen eines Glasbruchs in seiner Windschutzscheibe vor dem Landgericht Saarbrücken in Berufung. Der Versicherer wollte wegen nicht ordnungsgemäßer Schadenmeldung nicht leisten.

Zunächst hatte sich das Amtsgericht Neunkirchen (AG) im Juni 2022 gegen den Versicherungsnehmer entschieden, doch nun hat das Landgericht Saarbrücken (LG) in einem Urteil vom 10.02.2023 der Revision des Klägers stattgegeben. Bei einem Glasbruchschaden in der Windschutzscheibe muss der Versicherer leisten. Es genüge an der Stelle der Nachweis des Schadens, die Begründung werde nicht benötigt. Weiterhin sei bei einem Schaden durch Steinschlag der Entstehungszeitpunkt nicht relevant.

Versicherer wollte für Glasbruchschaden nicht aufkommen

Nachdem der Versicherungsnehmer seine Windschutzscheibe in einer Werkstatt hatte reparieren lassen (für einen Preis von 1.175,71 Euro), wollte er von seiner Teilkaskoversicherung Gebrauch machen. Der Versicherer lehnte dies jedoch am 28.08.2020 vorgerichtlich ab – mit der Begründung, dass der Schaden nicht ordnungsgemäß gemeldet worden sei. Schadensdatum, -örtlichkeit und -ursache müssten hierfür benannt werden. Außerdem habe es sich bei dem vorliegenden Schaden um nicht versicherte Kratzer und Abplatzungen gehandelt und nicht um einen versicherten Bruchschaden.

Das AG wies die Klage zurück. Das Schadensereignis sei aufgrund der Angaben nicht näher eingrenzbar gewesen, was angesichts offenbar bestehender Vorschäden in Form von Steinschlägen oder Kratzern unerlässlich sei. Das wollte der Versicherungsnehmer nicht einfach hinnehmen und legte Revision ein, auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Versicherer selbst vom 29.07.2020 als Schadenszeitpunkt ausgegangen sei und keine weiteren Angaben gefordert habe, weswegen der Schadenszeitpunkt unstreitig gewesen sei. Die Beklagte habe sich im Schreiben vom 28.08.2020 lediglich darauf gestützt, dass der Schaden nicht versichert sei.

Kläger erhält Recht: Versicherer muss für Glasbruch einstehen

Das LG Saarbrücken sah die Sache etwas anders als das AG Neunkirchen. Der Versicherungsnehmer erhielt vor Gericht Recht. Entgegen der Ansicht des AG scheitere das Klagebegehren nicht daran, dass der Kläger einen Glasbruchschaden nicht hinreichend schlüssig vorgetragen hat. Insbesondere die zeitliche Eingrenzung spiele keine entscheidende Rolle. Es komme nach allgemeiner Meinung nicht auf die Ursache für den Glasbruch an, sondern zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs genüge lediglich der Nachweis eines Glasbruchschadens.

Auch der Zeitpunkt des Schadens müsse nicht näher bestimmt werden, denn: Glasschäden an einer Windschutzscheibe, die aus Steinschlägen resultieren, zeigten sich laut LG oft erst mit einiger zeitlicher Verzögerung in Form von Rissen infolge von Spannungen.

Wie ist ein „Bruch“ zu verstehen?

Dass es sich nach Ansicht des Versicherers nicht um einen Glasbruch gehandelt habe, wurde vom LG Saarbrücken ebenfalls nicht akzeptiert. Denn Voraussetzung für einen ersatzpflichtigen Glasschaden sei ein „Bruch“ an der Verglasung des Fahrzeugs. Und was unter „Bruch“ zu verstehen ist, werde entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen danach definiert, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer den Begriff versteht.

Kurzum: Ein Bruch muss, ausgehend vom täglichen Sprachgebrauch und nicht etwa einer bestimmten Fachterminologie, nicht unbedingt eine zerbrochene Scheibe bedeuten. Nach allgemeinem Sprachgebrauch fallen auch bereits Einschnitte, Risse oder Sprünge in Scheiben, z. B. durch Steinschlag, unter den Begriff des Bruches. Oberflächliche Beschädigungen, die ersichtlich keine Auswirkung auf die Verkehrssicherheit haben, würden nicht der Definition eines Bruchs entsprechen. Im vorliegenden Fall allerdings sei genau dies der Fall. Es habe mehrere Steinschläge und daraus resultierende Ausbrechungen im Sichtfeld des Fahrers gegeben, wodurch die Verkehrssicherheit „nicht unerheblich beeinträchtigt“ gewesen.

Versicherungsfall ist eingetreten

Der Versicherungsfall sei somit eingetreten. Die Beklagte sei vertraglich zum Ersatz der Scheibe nebst Aus- und Einbaukosten abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 Euro verpflichtet. Die Höhe des versicherten Glasbruchschadens umfasse, anders als die Beklagte meint, auch die unmittelbar mit dem Austausch verbundenen Kosten der fachgerechten Entsorgung. (mki)

LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2023 – Az. 13 S 109/22; vorgehend AG Neunkirchen, Urteil vom 21.06.2022 – Az. 20 C 371/21 (76)

Bild: © fotohansel – stock.adobe.com