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Finanzen
15. September 2021
Trotz Pandemie: Zahlungsmoral in Deutschland bleibt intakt
Konzept Zahlungsmoral / Finanzen im digitalen Zeitalter

Trotz Pandemie: Zahlungsmoral in Deutschland bleibt intakt

Die Mehrheit der deutschen Firmen räumt ihren Kunden laut einer aktuellen Coface-Studie mittlerweile Zahlungsziele ein. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Zahl zwar spürbar zugenommen. Insgesamt bleibt die Zahlungsmoral aber intakt.

Fast drei Viertel (74%) der über 800 befragten Unternehmen haben ihren Kunden in den vergangenen zwölf Monaten ein Zahlungsziel eingeräumt. Zum selben Zeitpunkt des Vorjahres waren es nur 62%. In der letzten Befragung vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 operierten noch 81% der Unternehmen mit Zahlungszielen. „Deutsche Firmen haben sich offenbar an das Pandemieumfeld gewöhnt, dennoch bleiben sie wachsam und sind nach wie vor bestrebt, so früh wie möglich Kasse zu machen“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg.

Kurze Zahlungsfristen

Die Wachsamkeit ist Coface zufolge auch in den kurzen Zahlungsfristen erkennbar, die weiterhin die deutsche Unternehmenslandschaft dominieren. 88% der Unternehmen fordern ihr Geld im Jahr 2021 innerhalb von 60 Tagen. Die durchschnittliche Lieferantenkredit-Laufzeit verringerte sich geringfügig um etwa einen Tag: von 34 Tagen im Jahr 2020 auf 33 Tage im Jahr 2021.

Bau- und Textilbranche weiten Zahlungsfristen deutlich aus

Während sich die durchschnittliche Zahlungsfrist nur geringfügig verändert hat, gibt es signifikante Veränderungen in den einzelnen Branchen. Um fast zehn Tage im Vergleich zum Vorjahr wurden die Zahlungsfristen im Baugewerbe und in der Textil- und Kleidungsbranche verlängert. Dennoch gewährt die Baubranche mit 24,4 Tagen nach wie vor die kürzesten Zahlungsziele, während der Textil- und Bekleidungssektor mit durchschnittlich 47 Tagen die großzügigste deutsche Branche ist. Früher zur Kasse gebeten werden 2021 die Kunden im Maschinenbau (−8,2 Tage), im Agrar-, Lebensmittel- und Holzsektor (−7,3 Tage) sowie in der Automobilindustrie (−6,3 Tage). „Auch, wenn es nicht explizit gefragt wurde, berichten uns Kunden häufig, dass die gestiegenen Rohstoffpreise und damit die hohen Materialkosten sie unter Druck setzen. Sie möchten diese Vorleistungskosten offenbar möglichst schnell wieder einholen“, sagt Christiane von Berg.

Trotz Corona weniger und kürzere Zahlungsverzögerungen

Die Zahlungsmoral von Kunden deutscher Unternehmen hat sich 2021 erneut verbessert. Bereits im Vorjahr war der Anteil von Unternehmen, die Zahlungsverzögerungen erlebten, trotz einer starken Rezession überraschend von 85% im Jahr 2019 auf 68% zurückgegangen. In der aktuellen Befragung gaben sogar nur noch 59% der Teilnehmer an, in den vergangenen zwölf Monaten von verspäteten Zahlungen betroffen gewesen zu sein. Mit Ausnahme der Transport- und der Metallbranche ging die Zahl der Zahlungsverzögerungen in allen Sektoren zurück. Darüber hinaus verkürzte sich die Dauer von Zahlungsverzögerungen im Schnitt um über eine Woche, von 36 Tagen im Jahr 2020 auf knapp 28 Tage im Jahr 2021. „Dies könnte an der hohen Liquidität im Markt liegen“, sagt Christiane von Berg. „In Einzelfällen bitten Kunden sogar noch vor Rechnungsstellung darum, zahlen zu können, um negativen Bankzinsen zu entgehen.“

Einfluss staatlicher Hilfen

Exakt wie im Vorjahr gaben 48% der Befragten an, dass ihr Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten als Reaktion auf die Corona-Krise staatliche Unterstützung in Anspruch genommen hat. Auch der Anteil der genutzten Unterstützungsmaßnahmen bleibt nahezu unverändert: In 89% der Fälle wurde Kurzarbeitergeld beantragt, an zweiter Stelle (21%) stehen Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der wichtigsten Förderbank des Bundes. Zuschüsse vom Bund wie Überbrückungs- oder Neustarthilfen wurden von 17% genutzt. „Die letzten Hilfsprogramme laufen Stand heute zum Jahresende aus. Es wird interessant sein zu sehen, ob das äußerst positive Zahlungsverhalten in Deutschland das Ergebnis einer starken wirtschaftlichen Erholung oder erheblicher öffentlicher Finanzhilfen und einer höheren Verschuldung ist“, sagt Christiane von Berg. (mh)

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