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21. Juli 2023
Verbot von Payment for Order Flow – Zäsur für Fintechbranche
Secure Cross-border Payments Concept - Secure International Payments and Transactions with Mobile Device and Credit Card on World Map - 3D Illustration

Verbot von Payment for Order Flow – Zäsur für Fintechbranche

Die EU-Kommission will ab 2026 das sogenannte „Payment for Order Flow“, welches tief im Geschäftsmodell der Neobroker verankert ist, verbieten. Kapitalmarktexperte Christian Behm erläutert, inwiefern sich dies auf die deutsche Fintechbranche auswirken könnte.

Ein Artikel von Christian Behm vom Finanzdienstleister LPA. LPA konzentriert sich auf Software- und Automatisierungsdienstleistungen in den Bereichen Bankwesen, Vermögensverwaltung und Versicherungen. Christian Behm berät Finanzinstitute bei der digitalen Transformation sowie bei regulatorischen Fragestellungen.

Spätestens mit den Turbulenzen rund um die Meme-Stocks in 2020 und die Schwierigkeiten einiger Broker in diesem Zusammenhang steht das Geschäftsmodell des Payment for Order Flow, kurz PFOF, im Fokus des Regulators. Konkret handelt es sich bei PFOF um eine Praxis, bei der Broker von spezialisierten Handelshäusern eine Vergütung für die Weiterleitung von Wertpapier-Ordern erhalten. Allerdings werden die Aufträge nicht direkt an eine klassische Börse weitergeleitet, sondern an einen sogenannten Liquidity Provider. Dieser kann an den Kundenordern wiederum über den Spread bzw. die Geld-Brief-Spanne Geld verdienen. Ab 2026 will Brüssel dieses Vorgehen innerhalb der EU jedoch unterbinden. Gerade für hiesige Wettbewerber deutet sich eine Zäsur an.

Win-Win oder Fall für den Verbraucherschutz?

Aus Sicht verschiedener Player birgt PFOF ein Win-Win-Szenario für viele Beteiligte. Broker können ihren Nutzern günstige Konditionen bzw. Preismodelle mit minimalen Ordergebühren anbieten. Dies ist schlicht auch deswegen möglich, weil der Broker für seinen Flow vom Liquidity Provider bezahlt wird. Zwar wird die Praxis in erster Linie mit den großen Neobrokern verknüpft, tatsächlich wird PFOF aber von verschiedenen etablierten Brokern genutzt – etwa von Direktbanken.

Die Effekte ließen sich in den letzten Jahren beim Anlageverhalten der deutschen Sparer beobachten: Durch die für Kleinanleger geringeren Handelsgebühren im Vergleich zu traditionellen Brokern an Börsen sank die Zugangshürde für viele Nutzer. Dadurch wurde der Markt für Kleinanleger weiter geöffnet und Hemmschwellen abgebaut. Mit Blick darauf, die jüngere Generation als Anleger zu gewinnen, ein Vorteil. Weiterhin intensiviert diese Mechanik den Wettbewerb zwischen traditionellen Börsen wie Xetra und den Market Makern, was zu weiteren positiven Entwicklungen, in Preismodellen oder dem Service, zugunsten der Anleger führen kann.

Brüssel hingegen sieht auch wesentliche Aspekte, die gegen das Modell Payment for Order Flow sprechen. Allem voran sind die Intransparenz der entstehenden Kosten und mögliche Interessenkonflikte der Anbieter zu nennen. So wird befürchtet, dass sich ein Broker aufgrund höherer Rückvergütungen für Market Maker entscheidet und nicht mehr aufgrund des besten Handelskurses. Die Maßnahmen ab 2026 geschehen also zunächst im Zeichen des Verbraucherschutzes. Fraglich dürfte jedoch sein, ob viele Kunden diese Maßnahme als Gewinn wahrnehmen. Ein weiteres Argument gegen PFOF ist ferner, dass dieses Model nur bis zu gewissen Volumina lohnt. Bei großen Orders ist ein Handel über traditionelle Börsen attraktiver.

Ende der Günstig-Manie?

Das Verbot ist noch umzusetzen. Es wird erwartet, dass dies über eine Anpassung der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID II geschieht. Gerade das Geschäftsmodell der Neobroker wird sich neu erfinden müssen. Abzuwarten bleibt, ob zukünftig weitere Praktiken wie beispielsweise Bestandsprovisionen für ETFs in den Fokus geraten. Dann wären auch die bei den traditionellen Brokern beliebten, kostenlosen ETF-Sparpläne betroffen.

Man muss derzeit davon ausgehen, dass Gebührenmodelle wie im Jahr 2023 kaum mehr zu halten sein werden. Gerade in den letzten Monaten ist es den Neobrokern gelungen, zu einem essentiellen Treiber der Finanzbranche zu werden. Nicht mehr nur bei den Gebühren, sondern darüber hinaus bei der Verzinsung von Einlagen.

Verlieren die Platzhirsche unter den Discountanbietern mit den Einschnitten in ihr Geschäftsmodell nun auch ihren Kostenvorteil? Mittel- und langfristig lässt sich sagen, dass den Neobrokern eine der Haupteinnahmequellen wegbrechen wird. Da viele Neobroker als Nischenanbieter jedoch Kostenführerschaft anstreben, sollte es ihnen weiterhin möglich sein, ihren Kunden wettbewerbsfähige Angebote zu unterbreiten und den Preisdruck hochzuhalten. Den außerbörslichen Handelspartnern hingegen fällt eine Komponente weg, um sich für das Gewinnen von Orders attraktiv zu machen, sodass sie tendenziell einen Wettbewerbsnachteil zu traditionellen Börsen erleiden.

Es ist letztlich davon auszugehen, dass sich die Preismodelle im Retailbereich weiterentwickeln werden. Platzhirsche wie Scalable Capital etwa waren mit der Einführung von Flatrates bislang schon kreativ und sie werden dies weiter bleiben. Als schlanke Nischenanbieter werden sie weiterhin kompetitiv agieren und damit auch unter veränderten Wettbewerbsbedingungen preisattraktiv bleiben. Nicht zu vergessen ist ferner ihr oft überlegenes Nutzererlebnis. So werden Neobroker weiterhin versuchen, sich durch die User Experience positiv von den tradierten Anbietern zu differenzieren. Die Branche als solches wird mit dem Wegfall der Einnahmen aus PFOF technologische Investitionen vornehmen müssen, um dauerhaft wettbewerbsfähig im Bereich der Abwicklung zu bleiben. Dies wird es erlauben, im Bereich der Kleinanleger auch zukünftig mit günstigen Preisstrukturen zu operieren.

Bild: © ArtemisDiana – stock.adobe.com