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31. Januar 2020
Verletztengeld für Schwarzarbeit?

Verletztengeld für Schwarzarbeit?

Für die Höhe von zu zahlendem Verletztengeld ist das tatsächlich erzielte Einkommen maßgeblich. Das macht ein Urteil des LSG Darmstadt deutlich, bei dem es um einen Bauarbeiter ging, der nur für 20 Wochenarbeitsstunden bezahlt wurde, aber Vollzeit gearbeitet hat. Der Vorwurf von Schwarzarbeit steht im Raum.

Das Verletztengeld orientiert sich an den Entgeltabrechnungszeiträumen vor dem Unfall, der zur Verletzung geführt hat. Doch was ist, wenn die vorliegenden Verdienstabrechnungen eine andere Wochenarbeitszeit aufweisen als jene, die tatsächlich geleistet wurde? Das Hessische Landessozialgericht Darmstadt musste hierzu ein Urteil fällen.

Deckeneinsturz verletzt Bauarbeiter

Ein Einschaler (Beton- und Stahlbetonbauer) wurde auf einer Großbaustelle verletzt, als eine Decke einstürzte. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlte daraufhin für den Arbeitsunfall Verletztengeld an den Bauarbeiter. Die Höhe des Verletztengeldes errechnete sich aus den Verdienstabrechnungen, die dem Unfall vorausgingen. Diese wiesen jedoch nur eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden aus.

Berufsgenossenschaft sieht keinen Fehler

Der Verletzte machte geltend, dass er Vollzeit bei dem Bauunternehmen gearbeitet hatte. Er beantragte daraufhin die Überprüfung der Höhe des Verletztengeldes. Die Berufsgenossenschaft teilte ihm jedoch mit, dass sie keine Unregelmäßigkeiten feststellen könne und kein Zweifel an der Richtigkeit des ausgezahlten Betrags bestünde.

Zwei Arbeitsverträge

In einem weiteren Schreiben an die Berufsgenossenschaft legte der Verletzte einen Arbeitsvertrag vor, der über 40 Wochenarbeitsstunden ausgestellt war. Sein Arbeitgeber hatte einen Arbeitsvertrag vorgelegt, der 20 Wochenarbeitsstunden auswies. Der Bauarbeiter gab an, dass er den Arbeitsvertrag über 20 Wochenarbeitsstunden damals nicht unterschrieben habe, da die Stundenzahl falsch angegeben war. Denjenigen mit 40 Stunden habe er im Gegensatz dazu unterschrieben. Beide Verträge trugen dasselbe Datum. Beide waren jedoch auch von beiden Parteien unterschrieben.

Klage gegen Berufsgenossenschaft

Die Berufsgenossenschaft wies seine Forderung nach einem höheren Verletztengeld schließlich zurück, da keine Belege existierten, die den Anspruch des Arbeiters untermauerten. Daraufhin erhob der Mann Klage gegen die Berufsgenossenschaft und forderte eine Nachzahlung des Unfallversicherers. Er habe schließlich tatsächlich weit mehr auf der Baustelle gearbeitet und auch verdient.

Urteil des Sozialgerichts Darmstadt

Das Sozialgericht Darmstadt hatte die Klage des Mannes abgewiesen. Zwar sah es das Gericht als bewiesen an, dass er wirklich Vollzeit gearbeitet hatte, aber die Zuwendungen für die anderen 20 Wochenarbeitsstunden seien schwarz bezahlt worden. So habe die Zeugenvernehmung ergeben, dass es auf den Baustellen des Unternehmens üblich gewesen sei, dass eine andere Arbeitszeit vertraglich vereinbart wurde, als die tatsächlich geleistete.

Kein Anreiz für Schwarzarbeit

Die Differenz wurde laut Überzeugung des Gerichts bar bezahlt. Dies erkläre auch den zweiten von beiden Parteien unterschriebenen Arbeitsvertrag. Für diese Schwarzarbeit seien jedoch keine Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung geltend zu machen, da diese Praxis einen Anreiz für Schwarzarbeit biete.

Urteil des Landessozialgerichts Darmstadt

Das Landessozialgericht (LSG) sah dies anders. Der Beweis, dass der Bauarbeiter Schwarzgeld erhalten habe, sei nicht erbracht worden. Die Zeugenaussagen hätten zwar ergeben, dass Schwarzgeldzahlungen auf den Baustellen geflossen seien, aber niemand hatte den Mann hierbei namentlich genannt. Außerdem hatte der Verletzte auf Zahlung von weiterem Arbeitsentgelt vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main geklagt – jedoch ohne Erfolg. Dies deute darauf hin, dass er zwar Vollzeit gearbeitet habe, jedoch nicht ausreichend entlohnt wurde.

Zuflussprinzip

Hätte er das Verfahren vor dem Arbeitsgericht gewonnen und Nachzahlungen seines Arbeitgebers erhalten, hätte gemäß dem Zuflussprinzip nachträglich auch das Verletztengeld erhöht werden müssen, entschied das Gericht. Da dies jedoch nicht der Fall war, stehen dem Kläger keine höheren Zuwendungen zu. Dass Schwarzgeld grundsätzlich nicht bei der Berechnung von Verletztengeld einberechnet werden darf, wie das Sozialgericht entschieden hatte, vermag das LSG jedoch nicht zu unterstützen. Für den Urteilsspruch im konkreten Fall sei dies jedoch unerheblich. (tku)

LSG Darmstadt, Urteil vom 25.10.2019, Az.: L 9 U 109/17 

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