Konkretisierungen in Delegierter Verordnung
Leider erläutern weder IDD noch VVG die Begriffe Geeignetheit und Angemessenheit. Konkreter wird die Delegierte Verordnung EU 2017/2359 zur Ergänzung der IDD, die ebenfalls seit dem 23.02.2018 gilt. Danach sind VAP für den Kunden geeignet, wenn sie
- den Anlagezielen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft,
- den finanziellen Verhältnissen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und
- den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden entsprechen.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist lediglich erforderlich, dass der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken im Zusammenhang mit dem VAP zu verstehen. Darüber hinaus werden die einzuholenden Informationen über die Anlageziele und die finanziellen Verhältnisse weiter konkretisiert. Delegierte Verordnungen gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.
Verpflichtung zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen
Mit der Delegierten Verordnung EU 2021/1257 wird die soeben besprochene Verordnung EU 2017/2359 um Bestimmungen zu Nachhaltigkeitspräferenzen erweitert. Danach sind VAP für den Kunden geeignet, wenn sie
- den Anlagezielen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft und etwaigen Nachhaltigkeitspräferenzen,
- den finanziellen Verhältnissen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, sowie
- den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden entsprechen.
Unter Nachhaltigkeitspräferenzen versteht die Verordnung die Entscheidung eines Kunden, ob und, wenn ja, inwieweit eines der folgenden Finanzprodukte in die Anlage einbezogen werden soll:
- VAP mit ökologisch nachhaltigen Investitionen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Taxonomie-VO,
- VAP mit nachhaltigen Investitionen im Sinne von Art. 2 Nr. 17 Offenlegungs-VO,
- VAP, die die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen
Integration in Geeignetheitsprüfung
Mit der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen wird deshalb die Geeignetheitsprüfung erweitert. Es ist deshalb notwendig, dass Vermittler sich nicht in Formularen zu Nachhaltigkeitspräferenzen verlieren, sondern zunächst prüfen, ob die bisherige Beratungspraxis den Anforderungen einer Geeignetheitsprüfung überhaupt genügt, um dann in einem zweiten Step die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen zu integrieren. Die Vorschriften zur Geeignetheitsprüfung sind originäre Vermittlerpflichten. Vermittler dürfen deshalb nicht blind auf Software oder Formulare vertrauen.
Über den Autor
Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen (sandkuehler24.de).
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 86 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Sandu – stock.adobe.com
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