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23. April 2020
Zielgruppe Beamte: „Gut und sehr gut gibt es eben nur in der PKV“

Zielgruppe Beamte: „Gut und sehr gut gibt es eben nur in der PKV“

Beamte sind die interessanteste Zielgruppe für die PKV. Das Maklerunternehmen BeamtenCircle ist auf den öffentlichen Dienst spezialisiert, kennt Feinheiten der Beamtengruppen, die Diskussion um das Hamburger Modell sowie Fallstricke bei Tarifen und Tests nur zu gut. Interview mit Geschäftsführer Dirk Gärtner.

Herr Gärtner, Neugeschäft sei in der privaten Krankenvollversicherung nur noch im Beamtenbereich zu machen, hören wir immer wieder im Markt. Würden Sie dem beipflichten?

Grundsätzlich hatten wir noch nie so viele freiwillig gesetzlich versicherte Angestellte in Deutschland wie bisher. Eigentlich ein Paradies für die PKV. Die Nachfrage in diesem Bereich ist jedoch extrem gering. Viele Menschen fühlen sich in der GKV aktuell leider sehr wohl. Hier würde ich mir eine bessere Aufklärung über die wirklichen Unterscheide der beiden Systeme wünschen. Ich bin nach wie vor ein sehr großer Fan der PKV.

Ganz anders bei den Beamten. Hier haben wir tatsächlich noch einen Nachfragemarkt, so dass es meistens gar nicht darum geht, ob eine PKV gewählt werden soll, sondern nur noch, welche Krankenversicherung im Einzelfall die beste für den Beamten ist. Insofern gestaltet sich die Kundenakquise bei Beamten wirklich einfacher.

Nun soll bzw. muss in Deutschland die Zahl der Beamten auch aufgrund des demografischen Wandels dringend aufgestockt werden. Wird das die gerade beschriebene Entwicklung noch pushen?

Der Lehrermangel ist ja bekannt. Ebenfalls wird aus Gründen der inneren Sicherheit bei der Polizei aufgestockt. Hinzu kommt, dass viele Beamte in den nächsten Jahren das Pensionsalter erreichen. Heißt für uns tatsächlich: Es gibt viel zu tun.

Trotzdem ist nicht jede Beamtengruppe in der PKV gleich bedienbar. Was gibt es denn hier an Unterschieden?

Die größte Gruppe sind natürlich Lehrer und Referendare. Hier haben wir sehr gute Erfahrungen in der Online-Beratung gemacht. Durch die hohen Besoldungsgruppen spielt der Preis einer PKV eher eine untergeordnete Rolle. Es kommt doch sehr auf leistungsstarke Tarife an. Der Lehrer beschäftigt sich dann auch sehr intensiv mit den einzelnen Versicherungsbedingungen. Oft ist auch durch Eigenrecherche eine gewisse Vorkenntnis vorhanden. Unsere jahrelange Praxis zeigt aber auch, dass gerade in dieser Gruppe Vorerkrankungen eine sehr große Rolle spielen. Hier ist dann sicherlich von Vorteil, wenn der Makler aufgrund seiner Erfahrung weiß, welches Risiko bei welcher Gesellschaft am besten versichert werden kann.

Die nächstgrößere Gruppe sind Polizeibeamte. Diese sind oftmals heilfürsorgeberechtigt und im Durchschnitt weniger aufgeklärt als die Lehrer. Leider haben wir die Erfahrung gemacht, dass diese Situation oft von den Gewerkschaften und deren Stammorga ausgenutzt wird. Es wird teilweise in den Polizeischulen enormer Druck ausgeübt, um die eigenen Produkte zu vermitteln. Wir haben auch schon Versicherungsvertreter erlebt, die sich anziehen wie Gewerkschafter und dann mit denen gleichzeitig auftreten. Der junge Anwärter kann das natürlich nicht auseinanderhalten. Das ist sehr schade, da es auch für Polizisten gute und schlechte Versicherungen gibt. Deshalb nehmen wir uns gerne Zeit in dieser Zielgruppe und haben mittlerweile vier BeamtenCircle-Büros an relevanten Ausbildungsorten.

Ein großes Thema ist aktuell, dass sich Beamte nun auch in der GKV versichern können – zunächst bekannt als Hamburger Modell. Was halten Sie davon und wie reagieren Sie als Makler in der Beratung darauf?

Beamte konnten sich übrigens schon immer GKV-versichern, es gab keinen Zwang, in die PKV zu wechseln. Neu ist allerdings, dass der Dienstherr im Rahmen der pauschalen Beihilfe – Hamburger Modell – die Hälfte des Kassenbeitrages übernimmt. Das war vorher nicht der Fall. Rein von der Beitragsseite her macht das die GKV in manchen Konstellationen vermeintlich attraktiv.

Wettbewerb finde ich durchaus begrüßenswert. Leider wird mir in der öffentlichen Diskussion zu oberflächlich argumentiert. Es wird so getan, als hätten beide Systeme die gleichen Leistungen und man müsste nur noch den Preis vergleichen. Dies stimmt natürlich so nicht, und der aktuelle Beitrag ist auch immer nur eine Momentaufnahme. Gerade der junge Beamte wird im Laufe seiner Karriere sein Einkommen deutlich steigern. So bekommt er höhere Erfahrungsstufen, Familien- und Kinderzuschläge und Besoldungserhöhungen. Das führt dann jedes Mal zu einer Erhöhung des Kassenbeitrages.

Auf der Leistungsseite bin ich gespannt auf die Diskussionen etwa im Lehrerzimmer, wenn der Kassenpatient bei gleicher Diagnose deutlich weniger Massagen oder Physiotherapien bekommt als sein privatversicherter Kollege. Denn in der GKV gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot: Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Das sind für mich eher die Schulnoten 3 bis 4, statt 1 bis 2. Gut und sehr gut gibt es eben nur in der PKV.

Vieles in der pauschalen Beihilfe erscheint mir auch ideologisch motiviert. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass es die pauschale Beihilfe nur in der Krankenversicherung, nicht aber in der Pflegepflichtversicherung gibt.

Was ist denn in dem Zusammenhang der große Unterschied zwischen pauschaler und „klassischer“ Beihilfe?

Auf der einen Seite haben wir eine Pauschalleistung an den Beamten, nämlich die Hälfte des Versicherungsbeitrages. Dies kann übrigens auch eine PKV sein. Auf der anderen Seite haben wir die prozentuale Erstattung der tatsächlich anfallenden Krankheitskosten durch den Dienstherrn. Den Rest sichert der Beamte dann wie gewohnt privat ab.

Leider gibt es ja keine bundeseinheitliche Regelung. Was können Beamte machen, wenn sie in ein anderes Bundesland mit anderen Regeln gehen?

Das kann tatsächlich für den Beamten ein großes Problem werden. Nehmen wir an, ein Lehrer in Brandenburg entscheidet sich für die GKV mit pauschaler Beihilfe. Nach einigen Jahren wechselt er nach Mecklenburg-Vorpommern, wo es die pauschale Beihilfe nicht gibt. Wenn er nun aus gesundheitlichen Gründen nicht in die PKV wechseln kann, so muss er den vollen Beitragssatz wieder selbst zahlen.

Kommen wir noch einmal zu den Leistungen der PKV. Wo lohnt sich die PKV noch?

Wie schon oben erwähnt bietet nur die PKV Top-Leistungen. Nehmen Sie doch nur den Bereich Zahnersatz. Wenn der Beamte sich privat richtig versichert, bekommt er alles ersetzt und hat auch etwa bei einem Implantat keinerlei Eigenanteil. Bei der GKV kann das aber schon vierstellig werden. Selbst eine Zahnzusatzversicherung schließt diese Lücke nicht komplett. Und den Beitrag dafür müsste der Beamte ja auch noch entrichten. Die PKV kennt auch keine Budgetierung bei Arznei- und Heilmitteln, sodass der Patient hier nicht auf das nächste Quartal geschoben wird oder Behandlungen sogar ganz gestrichen werden.

Und wie unterschiedlich sind hier die PKV-Tarife? Wo liegen denn die Fallstricke?

Die PKV ist sehr umfangreich und leider nicht standardisierbar. Eine gute Beratung erfordert deshalb auch Zeit auf beiden Seiten. So wird mir in Vergleichen viel zu wenig Wert auf den Beihilfeergänzungstarif gelegt. Hier gibt es aber zwischen den einzelnen Versicherern sehr große Unterschiede. Auch scheint mir eine Einschränkung der Sitzungsanzahl bei Psychotherapie nicht mehr zeitgemäß. Wir hatten gerade erst eine Kundin, die drei Jahre lang jeweils 100 Sitzungen hatte. Der Marktführer beschränkt aber hier auf 52 Sitzungen. Deshalb sollten Finanztest und ähnliche Zeitungen ihre Vergleichskriterien einmal der Praxis anpassen. Daneben gibt es natürlich noch sehr viele weitere Kriterien an eine Krankenversicherung für Beamte. Das würde jetzt hier jedoch den Rahmen sprengen.

Schwierig wird es dann natürlich auch, wenn Vorerkrankungen zu Risikozuschlägen oder sogar Ablehnungen führen. Die Spannbreite bei gleichen Diagnosen ist zwischen den einzelnen Anbietern teilweise sehr groß. Ein zunächst ermitteltes Ergebnis kann dadurch noch einmal komplett geändert werden. Nur der Versicherungsmakler kann hier von verschiedenen Gesellschaften Angebote einholen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2020 auf S. 96f. und in unserem ePaper.

Bild: © pusteflower9024 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dirk Gärtner