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27. September 2022
Zum Verhalten nach gutgläubigem Kauf eines Gebrauchtwagens

Zum Verhalten nach gutgläubigem Kauf eines Gebrauchtwagens

Wenn sich der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten beruft, muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass der Käufer sich den Kraftfahrzeugbrief nicht hat vorlegen lassen, ansonsten hat er keine Ansprüche. Das hat der BGH aktuell entschieden.

Eine Gesellschaft italienischen Rechts, die Fahrzeuge in Italien vertreibt, hat im März 2019 unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus in Deutschland gekauft, bei dem das betreffende Fahrzeug stand. Eigentümerin des Fahrzeugs war allerdings nicht das Autohaus, sondern eine Leasinggeberin, die das Fahrzeug an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: Kraftfahrzeugbrief) ist.

Nach Zahlung des Kaufpreises von 30.800 Euro holte der Vermittler Anfang April 2019 das Auto bei dem Autohaus in Deutschland ab und brachte es zu der Käufergesellschaft nach Italien. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Als die Gesellschaft aus Italien ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus in Deutschland kaufen wollte, war es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen eingeleitet.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hatte die auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gerichtete Klage der Gesellschaft aus Italien abgewiesen und auf die Widerklage der beklagten Leasinggeberin des betreffenden Fahrzeugs die italienische Käufergesellschaft verurteilt, das Fahrzeug herauszugeben. Das Oberlandesgericht hat umgekehrt entschieden und die Leasinggeberin verurteilt, die Zulassungsbescheinigung Teil II an die italienische Käuferin herauszugeben. Die Widerklage hat es abgewiesen.

BGH-Entscheidung: Leasinggeberin trägt Beweislast

Der BGH hat die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Leasinggeberin zurückgewiesen. Die Käufergesellschaft aus Italien kann von der Leasinggeberin die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist (§ 985 BGB i. V. m. § 952 BGB analog). Ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war zwar die Leasinggeberin. Zwischen der Käufergesellschaft und dem Autohaus hat aber eine Einigung und Übergabe im Sinne von § 929 Satz 1 BGB stattgefunden. Weil das Fahrzeug dem Autohaus als Veräußerer nicht gehörte, konnte die Gesellschaft aus Italien das Eigentum durch diesen Vorgang allerdings nur gutgläubig erwerben (§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dass die Käufergesellschaft dabei nicht in gutem Glauben war, muss die beklagte Leasinggeberin beweisen. Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet. Derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.

Beweislastverteilung gilt auch bei fehlender Zulassungsbescheinigung Teil II

Diese Beweislastverteilung gilt laut BGH auch, wenn die fehlende Gutgläubigkeit des Erwerbers – wie im vorliegenden Fall – darauf gestützt wird, bei dem Erwerb des Fahrzeugs habe die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegen. Zwar gehört es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kfz, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Verkäufers zu prüfen.

Wird dem Käufer eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten. Diese Rechtsprechung ist aber nicht so zu verstehen, dass die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II von demjenigen zu beweisen wäre, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft. Denn für die vom Käufer zu beweisenden Erwerbsvoraussetzungen nach § 929 Satz 1 BGB spielt die Vorlage der Bescheinigung keine Rolle. Sie hat rechtliche Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem guten Glauben des Erwerbers; dessen Fehlen muss der gesetzlichen Regelung zufolge der bisherige Eigentümer beweisen.

Käufer trifft sogenannte sekundäre Darlegungslast

Allerdings trifft den Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, regelmäßig eine sogenannte sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II. Er muss also seinerseits vortragen, wann, wo und durch wen ihm die Bescheinigung vorgelegt worden ist und dass er sie überprüft hat. Dann muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht zutreffen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Gesellschaft italienischen Rechts habe mit dem Vortrag zu der Vorlage einer hochwertigen Fälschung ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt und die beklagte Leasinggeberin des Fahrzeugs habe den Beweis für die fehlende Gutgläubigkeit der italienischen Gesellschaft nicht geführt, ist nicht zu beanstanden.

Das gilt insbesondere für die Auffassung, der gute Glaube der Käufergesellschaft sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Autohaus dem Vermittler die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht ausgehändigt habe. Das Berufungsgericht sieht einen plausiblen Grund für den Einbehalt der Bescheinigung darin, dass – wie in dem Kaufvertrag vereinbart – auf diese Weise sichergestellt werden sollte, dass die Käuferin die Gelangensbestätigung (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV) übersendet, mit der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Umsatzsteuerfreiheit nachgewiesen werden kann. Das hält der eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand.

Weil die klagende Gesellschaft aus Italien Eigentümerin geworden ist, ist die auf die Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Widerklage der beklagten Leasinggeberin also unbegründet. (ad)

BGH, Urteil vom 23.09.2022 – V ZR 148/21

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