Keine typische Wirtschaftskrise
Fratzscher begrüßte hingegen die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2021. „Wir haben keine typische Wirtschaftskrise. Es geht erstmal um Stabilisierung, auch der Arbeitsplätze. Wenn Menschen jetzt arbeitslos werden, werden sie längere Zeit brauchen, bis sie in ihren Beruf wieder zurückkehren können“, meinte der DIW-Ökonom.
Strukturwandel nicht aus den Augen verlieren
Bei all der kurzfristigen Stabilisierung dürften allerdings die dringend notwendigen Herausforderungen des Strukturwandels nicht vernachlässigt werden. Darin sind sich die beiden Ökonomen einig. Fratzscher nannte als Musterbeispiel die Automobilindustrie. Sie müsse sich schneller hin zu alternativen Antrieben entwickeln. Wirtschaftliche Hilfen sollten immer auch den allgemein notwendigen Strukturwandel berücksichtigen und ihn vorantreiben statt bremsen.
Mehrwertsteuersenkung nicht verlängern
Auch in Bezug auf eine mögliche Verlängerung der bis Jahresende befristeten Mehrwertsteuersenkung herrscht Einigkeit unter den Wirtschaftswissenschaftlern. Beide lehnen eine solche Verlängerung ab. Fratzscher nennt dafür zwei Gründe. Erstens sei sie mit 20 Mrd. Euro allein für ein halbes Jahr sehr teuer. Zweitens wollte man damit vor allem Vorzugseffekte erzielen. Das würde bei einer Verlängerung oder gar permanenten Senkung wegfallen. Darüber hinaus sei die Wirkung auch noch beschränkt gewesen. „Es wäre besser, gezielt die Branchen und Menschen zu unterstützen, die besonders stark betroffen sind“, so Fratzscher.
Ersparnisse sind sogar gestiegen
Clemens Fuest würde die Mehrwertsteuersenkung ebenfalls nicht verlängern. Durch sie würden schließlich auch viele Unternehmen begünstigt, die gar keine Hilfe bräuchten. „Es ist wichtig, gezielt vorzugehen“, meint Fuest. Eine so breit wirkende Maßnahme wie die Mehrwertsteuersenkung sei hierfür nicht geeignet. Darüber hinaus sei der Konsum stark gesunken, obwohl die verfügbaren Einkommen bisher kaum gesunken sind. Dadurch sind die Ersparnisse stark gestiegen, zumal die Menschen das Geld teilweise gar nicht ausgeben konnten, weil Geschäfte geschlossen und Reisen nicht möglich waren oder sind.
Verlustrücktrag ausdehnen statt Mehrwertsteuer senken
Fuest schlägt als zielgerichtetere Maßnahme unter anderem eine Ausdehnung des Verlustrücktrags vor. „Das würde genau den betroffenen Unternehmen helfen, die von der Pandemie betroffen sind“, so Fuest. Daneben sollten Hilfen für die Branchen aufgestockt werden, die durch staatliche Restriktionen geschlossen werden. Politik müsse Entscheidungen fällen, die unterschiedliche Gruppen sehr unterschiedlich betreffen. Das sei unfair. Die Unfairness könnte man aber durch staatliche Hilfen für besonders betroffene Personen und Betriebe ausgleichen. (mh)
Die DKM geht bis zum 29.10.2020. Eine Anmeldung ist jederzeit hier möglich. Bereits angemeldete Teilnehmer gelangen hier direkt auf die digitale Messeplattform.
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