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8. März 2023
„Immer Respekt, niemals Angst, eine neue Aufgabe zu übernehmen“

„Immer Respekt, niemals Angst, eine neue Aufgabe zu übernehmen“

„Respekt ist wichtig, Angst ist überflüssig“ – mit dieser Einstellung hat sich Andrea Brock, Hauptbevollmächtigte der QBE Europe, in ihrer beruflichen Karriere Herausforderungen gestellt. Im Interview spricht sie über ihre Arbeit in einem männerdominierten Umfeld, Frauen in Führungspositionen und die Unternehmenskultur bei QBE.

Interview mit Andrea Brock, Hauptbevollmächtigte der QBE Europe SA/NV
Frau Brock, zum heutigen Weltfrauentag möchten wir auch über Frauen in der Versicherungsbranche sprechen. Da hat sich doch in den letzten Jahrzehnten einiges getan …

Getan hat sich tatsächlich einiges – aber bei Weitem nicht genug. Da die Themen Frauenquote und Diversity beherrschende Themen des gesellschaftlichen Diskurses sind, habe ich manchmal das Gefühl, dass vielerorts gedacht wird: Nun reicht es aber mal langsam. Aber nur weil wir darüber sprechen und schreiben, sind wir noch lange nicht angekommen – da liegt noch ein langer Weg vor uns. Ich habe vor Kurzem in einem Geschäftsbericht aus 2020 folgendes gelesen: „Der Aufsichtsrat hat […] die Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat auf 0 bis 33,33% und die Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand auf 0 bis 20% festgelegt.“ Tatsächlich lag der Frauenanteil im Vorstand bei 0% – damit wurde die Zielgröße erreicht.

Als ich mir vor Kurzem auch noch mal einen Report vom Swiss Re Institute angeschaut habe, wurde mir nochmals bewusst vor Augen geführt, dass wir mit einer CEO-Quote im Bereich der Non-Life-Versicherungen von 5% weltweit sogar noch hinter Japan liegen – das zeigt womöglich, wie weit der Weg noch ist.

Aber woran, glauben Sie, liegt das?

Wie gesagt, nur weil wir darüber sprechen, haben wir das Problem ja noch lange nicht gelöst. Laut AGV lag der Anteil weiblicher Führungskräfte 2021 bei 29,8% – allerdings mit einer überproportionalen Gewichtung auf den Führungsebenen drei und vier. Über alle Level hinweg hat es 15 Jahre gedauert, den Anteil um zehn Prozentpunkte zu erhöhen – ein exponentielles Wachstum in den letzten fünf Jahren ist allerdings nicht zu erkennen, was man vielleicht aufgrund der Wahrnehmung des Themas vermuten sollte.

Das Bewusstsein ist da und es gibt auch Regulierungen. Und trotzdem braucht der Wandel noch Zeit?

Bewusstsein ja, Problemlösungen na ja… Wir werden diese Herausforderung nicht über Nacht oder in den kommenden Jahren lösen. Viele Unternehmen haben sich eigene Quoten gesetzt, die sie erfüllen wollen und Förderprogramme aufgelegt. Aber – und das ist mir ein echtes Anliegen – wir müssen dieses Thema als Branche angehen, weil unser weiblicher Talentpool nicht ausreicht. Wir müssen gemeinsam die Versicherungsbranche für Frauen attraktiver machen. Wenn ich mir heute Bereiche wie Risk Engineering oder Technische Versicherungen anschaue, sind das weiterhin fast ausschließlich männlich dominierte Bereiche. Daneben hat sich aber die Frauenquote bei Studierenden im Bereich Ingenieurwissenschaften auf 30% erhöht.

Aus diesem Grund habe ich gemeinsam mit einigen Kolleginnen aus der Branche 2022 das Netzwerk FidI – Frauen in der Industrieversicherung – gegründet. Mit mittlerweile fast 300 Mitgliedern wollen wir uns als Frauen in der Industrieversicherung der wichtigen Themen annehmen und uns untereinander vernetzen. Dabei geht es sowohl um Mentoring-Angebote zu verschiedenen Aspekten als auch um die Etablierung der Industrieversicherung als attraktiven Arbeitgeber für weibliche Nachwuchskräfte. Ein zentrales Thema unseres Austauschs ist dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Getragen wird FidI von Versicherungen, Versicherungsmaklern und Industriekunden sowie dem Beitrag und Engagement aller Teilnehmerinnen.

In anderen Ländern scheint man in der Versicherungswirtschaft weiter zu sein. Können Sie das bestätigen?

Absolut. Wenn ich mir meine europäischen Kolleg:innen anschaue, sind mir diese bei den Diversity KPIs deutlich voraus. Im europäischen Management haben wir eine nahezu paritätische Besetzung unter der Leitung von Beatriz Valenti.

QBE ist weltweit tätig, was bedeutet das für die Unternehmenskultur, für Diversität und für Gleichstellung?

Bei uns ist die Unternehmenskultur integraler Bestandteil unsers Handelns und wir stellen sicher, dass das Thema Diversity über alle Hierarchieebenen hinweg gelebt wird. Ich weiß, dass das viele Unternehmen von sich behaupten – also hier einige konkrete Beispiele:

Wir haben konzerninterne Netzwerke wie etwa „QBE MIX“ – hier geht es darum, unsere Vielfalt zu vereinen, unsere Unterschiede zu feiern und das Bewusstsein für die ethnische Vielfalt innerhalb unserer Organisation zu schärfen.

Mitarbeiter:innen, die sich engagieren möchten, werden dafür entsprechend freigestellt, denn nur dann kann sichergestellt werden, dass das Thema auch die entsprechende Aufmerksamkeit bekommt.

Wie sieht denn Ihr eigener Lebenslauf aus und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ich hatte größtenteils das Glück, auf Vorgesetzte zu treffen, die mich gefördert und gefordert haben. Darüber hinaus hatte ich immer Respekt, aber niemals Angst, eine neue Aufgabe zu übernehmen. Respekt ist wichtig, Angst ist überflüssig. Dennoch bewege ich mich – und das gilt für die Industrieversicherung in Deutschland im Besonderen – immer noch in einem männerdominierten Umfeld. Hier würde ich mich freuen, wenn wir auf den gängigen Veranstaltungen deutlich weiblicher vertreten wären.

Wenn wir schon die Gelegenheit haben, mit Ihnen zu sprechen, wollen wir auch noch kurz über QBE in Deutschland reden. QBE dürfte nun etwas länger als 15 Jahre in Deutschland sein?

2022 waren es 15 Jahre – leider konnten wir das aufgrund der Corona-Restriktionen nicht so richtig zelebrieren – ich sehe uns daher als etablierten Versicherer in Deutschland. 2022 war für alle in der P&C Industrie eine besondere Herausforderung: Krieg in der Ukraine, Verhärtung der Rückversicherungsmärkte, Inflation und Konsolidierungen in der Marklerwelt – wir haben uns in diesem Umfeld sehr resilient gezeigt. 2023 liegt unser Fokus vor allem im Recruiting neuer Talente für unser Wachstum, den weiteren Ausbau unseres aktuellen Produktportfolios und dem Launch von Transportversicherungen in Deutschland.

Über Andrea Brock

Seit 2019 ist die studierte Betriebswirtin General Managerin bei QBE und leitet das Deutschlandgeschäft des Industrieversicherers. Sie hatte schon zuvor Führungspositionen bei Unternehmen wie AIG, Chubb und MS Amlin. 2021 übernahm sie zusätzlich interimistisch die Rolle des Executive Director Continental Europe. 

Bild: © Andrea Brock, QBE

 
Ein Interview mit
Andrea Brock