AssCompact suche
Home
Assekuranz
26. Januar 2023
Warum die technische Versicherung die Inflation so fürchtet

1 / 3

Roboter Arme am leeren Fließband, 3D Rendering

Warum die technische Versicherung die Inflation so fürchtet

Technische Versicherungen als Versicherer des technologischen Fortschritts befanden sich trotz großer Schritte in der Technologie meist in ruhigem Fahrwasser. Das jährliche Prämienwachstum und die Schadenquoten brachten kaum jemanden um den Schlaf. Seit 2022 ist das anders.

Ein Artikel von Stephan Schmitz, Produktmanager für technische Versicherungen Industriekunden bei der Gothaer Allgemeine Versicherung, und Andreas Knittel, Produktmanager für technische Versicherungen bei HDI

Es sind derzeit nicht weniger als vier Themenbereiche, die sich teils gegenseitig beeinflussen, aber auch unabhängig voneinander für gehörige Unruhe sorgen: die Inflation, Lieferkettenrisiken und Insolvenzen, politische Risiken und Naturgefahren.

Vermisst man hier nicht zwei Themen, die noch vor Kurzem (fast) alles in den Schatten stellten? Wie hat es die Inflation geschafft, (Silent) Cyber und Pandemie-Folgeschäden an den Rand der Aufmerksamkeit zu drängen? Natürlich besteht noch die Sorge, dass die russische Kriegsführung sich bald auch virtuell gegen die Unterstützer der Ukraine wendet, jedoch ist dies noch nicht im Bereich der Sachschäden für die Anbieter technischer Versicherungen (TV) Realität geworden.

Was ist also so bedrohlich an der Inflation, dass sie sogar russische Hacker-Banden im Vergleich harmlos wirken lässt? Und ist es nicht so, dass durch die Indizierung, zum Beispiel auf den Wert 3,71, inflationäre Preisentwicklungen aufgefangen werden und Vermittler wie Versicherte nichts zu tun brauchen? Nein, ganz und gar nicht. Und zwar aus folgenden Gründen.

Ob es im privaten Bereich um Butter für Weihnachtsplätzchen oder in der Industrie um die Beschaffung von Rohstoffen oder den Kauf von Baumaterialien geht: Die Auswirkung der weltweiten Inflation sind für alle spürbar. Betrachtet man nur die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte, sah man im April 2022 alarmierende 34% höhere Preise als ein Jahr zuvor. Eine vergleichbare Entwicklung gab es zuletzt während der Ölkrise 1973/74.

Wie trifft die Teuerung Kunden und Versicherer?

Auch die Sparten der technischen Versicherung leiden – unter anderem – unter Naturkatastrophen. Nach dem Rekordjahr 2021 – allein Sturm „Bernd“ sorgte mit rund 10 Mrd. Euro an versicherten Schäden für den größten Schaden der deutschen Versicherungsgeschichte – ging es 2022 mit Schrecken weiter: Nach GDV-Schätzung summieren sich allein die Schäden nach den Februar-Stürmen in Deutschland bereits auf rund 1,4 Mrd. Euro. Beim Beheben dieser Schäden spürt die Versicherungswirtschaft die enteignende Wirkung der Inflation. Kaum eine Versicherungssparte bleibt von dieser Entwicklung verschont.

Entspricht Versicherungssumme den gestiegenen Preisen?

Bleiben wir jedoch zunächst bei den technischen Versicherungen und bewerten zunächst getrennt nach Bestands- und Projektdeckungen. In den Bestandssparten – zuvorderst Maschinen- und Elektronikversicherung – wirkt sich die Inflation direkt und unmittelbar auf die Versicherungswerte aus. Im Schadenfall wird geprüft, ob die gestiegenen Preise ihre Entsprechung in der Versicherungssumme gefunden haben. Ist die Versicherungssumme nicht mehr auf dem Niveau des Versicherungswertes, erfolgt die „Einrede der Unterversicherung“. Ist diese durch besondere Vereinbarung abbedungen, bleibt dennoch die Versicherungssumme das Limit der Auszahlung. Glück in diesem Fall für Teilschäden, doch Pech gehabt bei Totalschäden, wenn die Entschädigung die Versicherungssummenmarke überschreitet.

Für fahrbare und stationäre Maschinen, für Baugeräte und die Elektronikversicherung besteht in Deutschland die Möglichkeit, die Versicherungssummen mithilfe von Indizes anzupassen. Die aktuellen Werte hat der GDV am 20.10.2022 veröffentlicht. Und wie erwartet sind die Indizes gestiegen, berücksichtigen diese doch im Bereich der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte die Investitionsgüterproduzenten, Maschinen für die Bauwirtschaft und elektrische Ausrüstungen.

Ebenfalls werden Bruttostundenverdienste der Arbeitnehmer von Investitionsgüterproduzenten einbezogen. Eine Kopplung an diesen Index ist sinnvoll, lässt aber im Einzelfall befürchten, dass die tatsächliche und im vergangenen Jahr außergewöhnliche Preisentwicklung im konkreten Schaden höher ausfällt. Aufgrund der hohen Inflation kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Standardklauseln die Realität der benötigten Versicherungswerte in allen Branchen und bis ins letzte Ersatzteil tatsächlich und regelmäßig widerspiegeln. Denn auch die Verknappung gewisser Güter und die damit marktwirtschaftlich einhergehende Preisspirale lässt sich mit diesen Indizes nicht prognostizieren.

Überprüfung erforderlich

Ohne eine individuelle und aufwändige Überprüfung der Versicherungssummen und Versicherungswerte des eigenen Elektronik- oder Maschinenparks geht es nicht. Nicht nur die in den Bestandssparten versicherten Sachwerte sind höher zu bewerten, Gleiches gilt für gelagerte Vorräte sowie Rohstoffe wie Metalle, Öl und Gas (mit Relevanz für die Versicherungssumme der AMBUB). Zu bedenken ist, dass nicht nur die reinen (erhöhten) Materialkosten zu berücksichtigen sind: Auch die höheren Lohnkosten spielen bei den Reparaturkosten eine relevante Rolle. Die Versicherungssummen müssen also den marktwirtschaftlichen Realitäten angepasst werden. Der Versicherer nimmt diesen Abgleich bei der Schadenbearbeitung vor. Täte er es nicht, würde er die Interessen des Versichertenkollektives nicht ausreichend vertreten.

Seite 1 Warum die technische Versicherung die Inflation so fürchtet

Seite 2 Sonderfall Multiline

Seite 3 Post von der BaFin

 
Ein Artikel von
Andreas Knittel
Stephan Schmitz