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BU: Die rechtlichen Folgen von Verspätungsklauseln

In der Berufsunfähigkeit kann eine späte Meldung des Versicherungsfalls an den Versicherer zu Leistungsbeschränkungen führen. Grund hierfür kann eine in den Versicherungsbedingungen vereinbarte Verspätungsklausel mit Meldefrist sein. Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke erklärt in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne, wie sich eine solche Klausel auswirkt.

Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Häufig nehmen Versicherer die einschränkende Fälligkeitsregelung in ihre Vertragsbedingungen mit auf, dass, wenn der Eintritt der Berufsunfähigkeit später als drei bzw. sechs Monate nach Eintritt dem Versicherer angezeigt wird, der Anspruch auf diese Leistung erst mit Beginn des Monats der Mitteilung bzw. der Anzeige entsteht. Solche Klauseln werden als „Verspätungsklausel“ oder „Verspätungsklausel mit Meldefrist“ bezeichnet. Doch wie erkennt man eine solche Klausel? Welche Auswirkungen hat sie für den Versicherten? Und wer muss im Zweifelsfall was darlegen und beweisen? Dies und weitere Fragen werden im Folgenden beantwortet.

Wie lautet eine typische Verspätungsklausel?

Eine typische Verspätungsklausel lautet beispielsweise wie folgt: „Wird uns die Berufsunfähigkeit später als sechs Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsleistungen erst mit Beginn des Monats der Mitteilung. Wird uns jedoch nachgewiesen, dass die rechtzeitige Mitteilung ohne Verschulden unterblieben ist, werden wir rückwirkend ab Beginn des auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgenden Monats leisten.“ Derartige Klauseln wurden häufig in älteren Versicherungsverträgen vereinbart und kommen in neueren und guten Bedingungswerken kaum noch vor.

Verspätungsklausel als Ausschlussfrist?

Bei der Verspätungsklausel handelt es sich weder um eine (verhüllte) Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Fristeinhaltung noch um eine Anspruchsvoraussetzung. Vielmehr stellt sie eine Ausschlussfrist dar. Die Ausschlussfrist bezweckt regelmäßig objektiv eine verlässliche zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers, um die alsbaldige Prüfung und zuverlässige Feststellung der geltend gemachten Berufsunfähigkeit zu ermöglichen. Hierzu muss die Berufsunfähigkeit nicht verbindlich von dritter Stelle festgestellt worden sein. Vielmehr setzt die fristwahrende Anzeige voraus, dass der Anspruch wegen Berufsunfähigkeit schriftlich geltend gemacht wird.

Was passiert bei Versäumung der Ausschlussfrist?

Die Versäumung dieser Ausschlussfrist ist grundsätzlich sogar verschuldensunabhängig. Der Versicherer kann sich jedoch nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB dann nicht auf seine Ausschlussfrist berufen, wenn den Versicherungsnehmer keinerlei Verschulden an der Fristversäumung trifft, etwa weil er von dem Eintritt eines Zustandes, der die Bejahung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit rechtfertigt, unverschuldet nichts wusste. Grundsätzlich ist allerdings bereits einfache Fahrlässigkeit schädlich. Für sein fehlendes Verschulden trifft den Versicherten die Darlegungs- und Beweislast.

Wie ist die Rechtsfolge einer Versäumung?

Versäumt der Versicherte die Frist, so hat dies zwar nicht den vollständigen Anspruchsverlust zur Folge. Der Anspruch auf Versicherungsleistungen entsteht jedoch erst mit Beginn des Monats der Mitteilung der Berufsunfähigkeit an den Versicherer, wenn die verspätete Anzeige nicht ohne schuldhaftes Versäumen des Versicherten erfolgte. Ungeachtet dessen kann der Versicherungsnehmer jedoch einen Entschuldigungsbeweis gegen die Versäumung der Anzeigepflicht erbringen. An den Entschuldigungsbeweis werden in der Regel sehr hohe Anforderungen gestellt. Ein pauschaler Verweis darauf, dass es dem Versicherungsnehmer durch gesundheitliche Beeinträchtigungen unmöglich war, den Versicherungsfall anzuzeigen, ist für den erforderlichen Entschuldigungsbeweis nicht ausreichend.

Gesonderter Hinweis durch Versicherer erforderlich?

Es bedarf weder einer besonderen Hervorhebung der Verspätungsklausel in den Versicherungsbedingungen noch bedarf es eines gesonderten Hinweises des Versicherers auf die Ausschlussfrist. Unterstellt man, eine solche Verpflichtung würde für den Versicherer bestehen, kann eine Hinweispflicht nur durch die Anzeige des Versicherungsfalles ausgelöst werden. Eine solche Anzeige gibt es in diesem Szenario jedoch nicht.

Fazit und Praxishinweise

Verspätungsklauseln mit Meldefrist sind nach ständiger Rechtsprechung kaum angreifbar und in der Regel wirksam. Sie stellen eine Ausschlussfrist dar. Diese Leistungsbegrenzungen sind für Versicherte nicht positiv. Denn häufig werden entsprechende Anzeigen beim BU-Versicherer nicht rein vorsorglich vorgenommen, da Versicherte nicht bei jeder Erkrankung von dem Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ausgehen.

Deswegen kommt es häufig in der Praxis zu Leistungsbegrenzungen durch die Versicherungen, sodass die Versicherten weniger Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erhalten. Es empfiehlt sich demnach beim Vorliegen dauerhafter Erkrankungen, den Versicherer zeitnah davon in Kenntnis zu setzen, sodass sich Verspätungsklauseln bestenfalls nicht auswirken.

Weitere wissenswerte Beiträge zum Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung sind hier auf der Website der Kanzlei Jöhnke & Reichow zu finden.

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Allianz stellt sich bei Berufsunfähigkeitspolicen neu auf

Die Allianz Lebensversicherung hat ihrem Angebot zur Arbeitskraftabsicherung ein Update verpasst. Zwei neue Tarife namens „Komfort“ und „Premium“ sollen den Kundenbedürfnissen besser gerecht werden. Verbesserungen gibt es etwa bei Leistung wegen Krankschreibung.

Zum Januar 2024 hat die Allianz Lebensversicherungs-AG (Allianz) ihr Angebot zur Arbeitskraftsicherung neu strukturiert. Bei den Berufsunfähigkeitsversicherungen bietet die Allianz nun einen neuen Tarif „BU Komfort“ an. Das neue Angebot ist für Kunden gedacht, die ihre Arbeitskraft gezielt ohne temporäre „Leistungen wegen Krankschreibung“ und ohne „Leistungen wegen Krebs“ absichern möchten.

Wer jedoch die temporären Leistungen wegen Krankschreibung sowie Krebs einschließen möchte, kann den Tarif „BU Premium“ wählen. Die Komfort- und Premium-Variante verfügen ansonsten nahezu über die gleichen Leistungsmerkmale, für beide Tarife gilt ein Prognosezeitraum von sechs Monaten. Der Beitragsunterschied zwischen Premium- und Komfort-Tarif soll laut Angaben des Versicherers bei rund 7% liegen.

Verbesserungen bei Leistungen wegen Krankschreibung

Beide Tarife sind für die private Absicherung von Kunden im Einsatz, der Tarif „BU Komfort“ soll zudem entsprechend seines Leistungsumfangs in der betrieblichen Altersversorgung und in der Basisrente Anwendung finden. Denn Krankschreibungs- und Krebsleistungen sind bei diesen beiden Bereichen nicht förderfähig, betont die Allianz.

Infolge des Produkt-Updates hat die Allianz noch weitere Verbesserungen bekannt gegeben, etwa bei den Leistungen wegen Krankschreibung: Im neuen Premium-Tarif wird nun so lange geleistet, wie die Arbeitsunfähigkeit besteht, nämlich nun bis zu 36 statt bislang 24 Monate. Außerdem muss bei Beantragung der temporären Leistungen wegen Krankschreibung nicht auch gleichzeitig ein Antrag wegen Berufsunfähigkeit gestellt werden. Vielmehr werden Kunden rechtzeitig vor Ablauf der Zahlungen wegen Krankschreibung kontaktiert, sodass sie ggf. einen Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit stellen können, damit keine Versorgungslücke entsteht.

Tätigkeit vor Elternzeit ist entscheidend

Eine weitere Neuerung betrifft Menschen in Elternzeit. Bisher wurden Kunden in der Elternzeit bei den Berufs- und Dienstunfähigkeitstarifen mit der Hausfrauen-/Hausmänner-Klausel in Berufsgruppe B8 eingestuft. Seit Januar 2024 werden Versicherte nach der beruflichen Tätigkeit eingestuft, die sie zuletzt vor der Elternzeit ausgeübt haben – sofern diese Tätigkeit weniger als drei Jahre zurückliegt. Diese Regelung gilt analog auch für die KörperSchutzPolice und für Risikolebensversicherungen der Allianz. (as)

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BU: Wann ist eine Erkrankung dauerhaft?

In der Regel gilt eine Person als berufsunfähig, wenn sie ihren Beruf dauerhaft nicht mehr hälftig ausüben kann. Viele Bedingungswerke der Versicherer verstehen unter Dauerhaftigkeit eine Krankheit von mindestens sechs Monaten. Das OLG Dresden befasste sich mit einem Fall, in dem dies nicht geregelt war.

Ein Beitrag von Dr. Arnd Böhmer, LL.M., Rechtsanwalt bei der Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH

Seit der Bundesgerichtshof (BGH) vor vielen Jahren zu der Erkenntnis gelangte, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer gar nicht in der Lage ist, Versicherungsbedingungen wie Gesetze auszulegen, gilt der Satz in Stein gemeißelt: „Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann.“ Wie schwer es sogar Obergerichten fällt, dieses Postulat umzusetzen zeigt ein Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Beschluss vom 12.10.2022, Az. 4 U 673/22) zu entscheiden hatte.

Was war geschehen?

Was war passiert: Die Klägerin unterhielt eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Hier war es aber so, dass sich die Definition des Versicherungsfalles ganz erheblich von den am Markt etablierten Bedingungswerken unterschied.

In § 15 des Bedingungswerkes stand: „Als berufsunfähig ist derjenige anzusehen, der durch körperliche Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte unfähig ist, eine seiner Vorbildung und seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Beschäftigung auszuüben.“

Die Klägerin erkrankte an Brustkrebs. Sie wurde operiert, bestahlt und war vom 13.12.2017 bis zum 23.09.2018 durchgehend arbeitsunfähig. In Anbetracht der Diagnose darf wohl unterstellt werden, dass die Klägerin in dem zuvor skizzierten Zeitfenster auch nicht in der Lage war, ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Kundenberaterin oder einer Vergleichstätigkeit in einem mindestens halbschichtigen Umfang nachzugehen.

Die verklagte Versicherung sah sich aus mehreren Gründen als leistungsfrei an. Im Kern argumentierte sie aber, dass die gesundheitlichen Einschränkungen nicht dauerhaft vorgelegen hätten. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass es darauf nicht ankomme, da das Bedingungswerk keine Dauerhaftigkeit fordere. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Nun musste sich das OLG mit den Argumenten befassen.

So bewertete das OLG das Bedingungswerk

Zunächst räumten die Richter ein, dass Brustkrebs eine schwere Erkrankung sei. Es stelle sich aber die Frage, ob diese Erkrankung zu dauerhaften Leistungseinschränkungen führe. Dies sei unter Berücksichtigung des oben genannten Grundsatzes zu ermitteln, wonach es auf das Verständnispotenzial eines verständig lesenden, aber versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten Versicherungsnehmers ankomme. Das Gericht räumte ein, dass in dem zugrunde liegenden Bedingungswerk nichts über die leistungsauslösende Dauer der Berufsunfähigkeit stehe. Das sei aber auch entbehrlich, da sich das Erfordernis der Dauerhaftigkeit sowohl aus der gesetzlichen Definition der Berufsunfähigkeit als auch aus dem Versorgungscharakter der BU, die typischerweise gegen dauerhafte Einkommenseinbußen absichern will, ergebe. Überprüfen wir beide Argumente.

Bewertung des Beschlusses

Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist in § 172 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) definiert. Dort heißt es: „Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“

Wenn nun der Begriff der Berufsunfähigkeit das Dauerhaftigkeitskriterium immanent in sich tragen würde, dann hätte der Gesetzgeber mit der vorzitierten Legaldefinition bewusst eine Tautologie ins VVG geschrieben. Dafür gibt es jedoch überhaupt keinen Anhaltspunkt.

Ein weiteres Problem stellt sich. Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich der Sinn der Versicherungsbedingungen „aus sich heraus“ ohne Heranziehung anderer Texte ergeben müsse. Das heißt vereinfacht, ein Versicherungsnehmer muss nur den Bedingungstext lesen, den Gesetzestext muss er hingegen nicht kennen.

BU und Krankentagegeldversicherung (KTG) sind wichtige Vorsorgeprodukte gegen biometrische Risiken. Sie stammen aus verschiedenen Sparten (die BU wird von einer Lebensversicherung angeboten, die KTG schließt man bei einer Krankenversicherung ab) und können gegenseitig eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Die KTG leistet bereits bei sehr kurzfristiger, gesundheitsbedingter Einschränkung der Arbeitskraft. Wenn diese Einschränkungen regelmäßig über sechs Monate bestehen, kann man Leistungen aus der BU beziehen. Der parallele Bezug von BU- und KTG-Leistungen schließt sich aber aus (§ 15 Abs. 1 Buchst. b) Musterbedingungen 2009 für die Krankentagegeldversicherung). Das alles ist dem Versicherungsprofi geläufig. Es ist aber mehr als fraglich, ob man diese Systematik ausschließlich aus dem eingangs zitierten Bedingungstext entnehmen kann.

Abschließend meint das OLG:

Es komme im Ergebnis gar nicht darauf an, denn wäre die Versicherungsbedingung unklar, würde § 172 Abs. 2 VVG gelten, und dieser erfordere nun mal die Dauerhaftigkeit. Diese Ausführung ist aber AGB-rechtlich nicht haltbar. Wenn eine Regelung unklar oder mehrdeutig ist, gilt die für den Verwender – also vorliegend die Versicherung – ungünstigste Auslegungsmöglichkeit. (§ 305c Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Mithin wäre auch eine kurze Gesundheitseinschränkung leistungsauslösend. Das Gesetz tritt erst dann an die Stelle der Versicherungsbedingung, wenn diese unwirksam ist, weil nicht mehr sinnerhaltend auslegbar (§ 306 Abs. 2 BGB). Doch das ist vorliegend sicherlich nicht der Fall.

Laie hätte Leistungspflicht annehmen können

Aus der Perspektive des versicherungsrechtlichen Laien hätte man vorliegend – nur basierend auf der nüchternen Lektüre des Bedingungstextes – eine Leistungspflicht annehmen müssen.

Besonders bemerkenswert ist aber folgender Aspekt: Es ist nicht auszuschließen, dass der Klägerin diese Versicherung empfohlen wurde, weil bei dieser Versicherung gerade die Dauerhaftigkeit der Einschränkung nicht gefordert ist. Bei den meisten Versicherungsbedingen ist der Versicherungsfall Berufsunfähigkeit ähnlich definiert wie in § 172 Abs. 2 VVG. Da aber in der Versicherungswirtschaft bekannt ist, dass diese Dauerhaftigkeitsprognose sehr schwer zu führen ist, erhalten fast alle am Markt erhältlichen BU-Produkte eine Beweiserleichterung: Erreichen oder überdauern die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen einen Sechsmonatszeitraum, wird die Berufsunfähigkeit fingiert und der Versicherer ist zur Leistung verpflichtet.

Die versicherte Person war im vorliegenden Fall für ca. neun Monate gesundheitlich eingeschränkt. Das heißt, eine BU mit den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) hätte in dieser Fallkonstellation, wenn auch nur temporär, leisten müssen. Die Klägerin hatte also einen nach dem Bedingungswortlaut besonders guten Versicherungsschutz, steht aber im Ergebnis schlechter da als der normale Versicherte. Aber auch diese Überlegung konnte der Klägerin im Ergebnis nicht helfen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2024 und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Arnd Böhmer

Rückblick 2023: Maklerfavoriten bei BU und Grundfähigkeit

Die AssCompact TRENDS untersuchen, welche Produkte sich aus Maklersicht zukünftig gut vermitteln lassen könnten. In einem Jahresrückblick werden wichtige TRENDS-Themen aufgegriffen, diesmal: BU und Grundfähigkeit. Welche Versicherer und Produkte konnten 2023 in diesen Segmenten bei den Maklern punkten?

Laut einer aktuellen Studie des Versorgungswerks MetallRente ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Arbeitskraftabsicherungsprodukten in den letzten Jahren zwar gestiegen, dies hat aber weiterhin in zu wenigen Fällen den Abschluss eines entsprechenden Vertrages zur Folge gehabt. Es sollte allgemein bekannt sein, dass der Verlust der Arbeitskraft schwerwiegende bis existenzbedrohende Folgen haben kann. Scheinbar reicht jedoch das reine Wissen darüber nicht, um sich auch entsprechend dagegen abzusichern. Denn das ist ja möglich – etwa mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder in geeigneten Fällen mit einer Grundfähigkeitsversicherung.

Und hier kommen die unabhängigen Versicherungsmakler und -maklerinnen ins Spiel: Sie bieten entsprechende Beratung, benötigen dafür aber die passenden Produkte und Services der Versicherer – dazu gehören auch zeitgemäße Tools: In der Studie „AssCompact AWARD – BU/Arbeitskraftabsicherung 2023“ wünschen sich die befragten Versicherungsmaklerinnen und -makler sowie Mehrfachagentinnen und -agenten z. B. mit 63%, dass die Versicherer die Angebote im Bereich der elektronischen BU-Risikoprüfungsangebote weiter ausbauen.

Welche BU- und Grundfähigkeitsversicherer bei den Maklern im Jahr 2023 ganz vorne lagen, haben die AssCompact TRENDS-Studienautorinnen und -autoren in ihrem Jahresrückblick 2023 ermittelt. Die Jahresfavoriten ergeben sich aus den Ergebnissen der vierteljährlichen TRENDS-Studien des vergangenen Jahres. Die Platzierung und der jeweilige Anteil bemessen sich an der Nennung bzw. den abgegebenen Stimmen der teilnehmenden Maklerinnen und Makler.

Das waren 2023 die Top-10-Maklerfavoriten der Berufsunfähigkeitsversicherung

Rückblick 2023: Maklerfavoriten bei BU und Grundfähigkeit
  • Platz 1 belegt im Jahr 2023 wie bereits im Vorjahr Alte Leipziger (Leben) mit 22,9% (2022: 23,7%). Der Versicherer konnte sich in jedem Quartal 2023 den 1. Rang sichern.
  • Mit 8,3% landet LV 1871 knapp vor dem Drittplatzierten auf Platz 2. Damit macht das Unternehmen zudem einen Rang im Vergleich zum Vorjahr gut.
  • Auf den 3. Platz schafft es im Jahr 2023 Swiss Life mit 8,2% und rutscht damit in die Top 3. Im Jahr 2022 befand sich der Versicherer zwar auch unter den Top 10, aber auf Rang 4.

Insgesamt kommen den Top-3-BU-Versicherern 39,4% der Stimmenanteile zu, was ungefähr dem Stand des Vorjahres (2022: 39,5%) entspricht. Die weiteren Top-10-Plätze haben zusammen einen Anteil von 40,9%. Baloise und Continentale liegen beide auf Platz 8, daher entfällt Platz 9. Eine Übersicht über die Top-10-Maklerfavoriten der Berufsunfähigkeitsversicherung 2023 findet sich in der Grafik oben.

Das waren 2023 die Top-10-Maklerfavoriten der Grundfähigkeitsversicherung

Die Grundfähigkeitsversicherung gilt als verständliche und kostengünstigere Absicherung für Menschen in körperlicher Tätigkeit oder mit Vorerkrankungen. Immer mehr Versicherer ergänzen ihr Produktangebot im Bereich der Arbeitskraftabsicherung um einen Grundfähigkeitsschutz. Wer konnte die Makler im Jahr 2023 hier überzeugen?

Rückblick 2023: Maklerfavoriten bei BU und Grundfähigkeit
  • Bei der Grundfähigkeitsversicherung schafft es in jedem Quartal des Jahres 2023 Canada Life ganz oben auf das Siegerpodest. Daher kommt dem Versicherer auch für das Jahr 2023 insgesamt der 1. Platz zu, und zwar mit 22,9%. Canada Life verteidigt außerdem seinen Sieg aus dem Vorjahr und gewinnt sogar noch Stimmanteile hinzu (2022: 21,6%).
  • Platz 2 geht mit 10,6% an VOLKSWOHL BUND. Der Versicherer klettert damit im Vorjahresvergleich vom 3. auf den 2. Platz.
  • Platz 3 geht 2023 an NÜRNBERGER (Leben), die in die Top 3 aufsteigt. Im Jahr 2022% landete sie auf Platz 4. 2023 kommen ihr 9,9% der Stimmanteile zu.

Insgesamt erhalten die Grundfähigkeitsversicherer 43,4% der Maklerstimmen. 2022 waren es noch 40,6%. Da es zwei 9. Plätze gibt, entfällt Platz 10. Die Plätze 4 bis 9 erhalten einen Stimmenanteil von 44%. Eine Übersicht über die insgesamt zehn Maklerfavoriten der Grundfähigkeitsversicherung 2023 gibt es in der obigen Grafik.

Über die Studie

Der AssCompact TRENDS-Jahresrückblick steht Abonnenten der vierteljährlichen TRENDS-Studie exklusiv zur Verfügung. Das TRENDS-Abonnement enthält alle vier Ausgaben und etwaige Siegel inklusive dem Jahresrückblick. Ansprechpartner ist Dr. Mario Kaiser, kaiser@bbg-gruppe.de, 0921 75758–33.

Informationen zu allen weiteren AssCompact Studien sind unter asscompact-studien.de zu finden.

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Assekuradeur startet Tarif zur Absicherung von Profisportlern

Der Assekuradeur Wunderlich Cover Solutions hat eine neue Sportunfähigkeits- und Unfallversicherung gelauncht, die speziell auf die Absicherung von Profisportlern zugeschnitten ist. Die Besonderheit dabei: Ab dem zweiten Jahr wird ein signifikanter Rabatt auf die Prämie gewährt.

Die Absicherung von Profisportlern steht im Fokus einer neuen Sportunfähigkeits- und Unfallversicherung des Assekuradeurs Wunderlich Cover Solutions. Der neue Tarif ist speziell auf die Bedürfnisse der professionellen Athleten ausgerichtet und bietet umfassenden Schutz bei Unfällen während des Trainings, bei Wettkämpfen sowie in der Freizeit.

Eine Besonderheit des neuen Tarifs: Er gewährt ab dem zweiten Jahr einen „signifikanten Rabatt“ auf die Versicherungsprämie. Der Tarif ist laut dem Gründer des Unternehmens, Claus Wunderlich, der erste SFR-Tarif in der Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung. „Was in der Kfz-Versicherung geht, machen wir nun auch in der Personenabsicherung“, so Wunderlich. Der Rabatt zielt darauf ab, langfristige Partnerschaften mit Versicherten aufzubauen und Kunden einen Mehrwert zu bieten, so das Unternehmen.

Die Police kann über die Webseite der Wunderlich Cover Solutions GmbH sowie über autorisierte Vermittler abgeschlossen werden. (js)

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AKS: Warum viele Bedarf kennen und trotzdem nicht vorsorgen

Die MetallRente-Studie zur Arbeitskraftabsicherung (AKS) zeigt, dass sich die Deutschen immer bewusster werden, welche finanziellen Risiken ein Verlust der Arbeitskraft in sich trägt. Doch noch immer sorgen zu wenige vor. Was steckt dahinter? Die Studie gibt u. a. Impulse für den Versicherungsvertrieb.

<h5>Ein Artikel von Stefan Limmer, Leiter Vertrieb und Prozesse beim Versorgungswerk MetallRente</h5><p>Zum zweiten Mal präsentiert das Versorgungswerk MetallRente eine repräsentative Studie zum Thema Arbeitskraftabsicherung (AKS) in Deutschland. Zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Kantar Public wurden dafür rund 2.000 Personen im Alter von 14 bis 45 Jahren befragt. Die Ergebnisse zeigen im Vergleich zur Studie von 2020, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Arbeitskraftabsicherungsprodukten durch die Corona-Krise gestiegen ist. Leider führt dieses gesteigerte Bewusstsein aber in zu wenigen Fällen zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages.</p><h5>Wissen als Schlüssel für gute Beratung und bedarfsgerechte Versorgung</h5><p>Die Studie fördert erhebliche Wissenslücken bei den Befragten bezüglich Arbeitskraftabsicherung und gesetzlichen Leistungen bei Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit zutage. Nur eine Minderheit der 14- bis 45-Jährigen kennt die Unterschiede zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung. 54% rechnen im Ernstfall mit einer staatlichen BU-Rente, die faktisch für die meisten nicht mehr existiert. Der Wissensstand zu Vorsorgeangeboten im Arbeitskraftschutz fällt insgesamt gering aus. Diese Ergebnisse unterstreichen den Bedarf für Aufklärungsarbeit in der Branche. MetallRente unterstützt daher die Weiterbildungsinitiative eBranchenCampus. Die von Swiss Life initiierte Lernplattform bietet umfassende Online-Trainings, deckt das gesamte Wissensspektrum der Arbeitskraftabsicherung ab und ermöglicht eine breite Qualifizierung von Beraterinnen und Beratern – auch zu den Lösungen der Branchenversorgungswerke MetallRente, ChemieRente und KlinikRente. Ziel ist, dieses Wissen an die Beschäftigten weiterzugeben und ihnen so die bestmögliche Versorgung zu bieten.</p><h5>Bewusstsein für den Bedarf der privaten Arbeitskraftabsicherung</h5><p>Ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland ist statistisch gesehen im Laufe des Arbeitslebens von Berufsunfähigkeit betroffen, was in den meisten Fällen mit finanziellen Einschränkungen verbunden ist. Die MetallRente-Studie zeigt, dass das Bewusstsein für die private Arbeitskraftabsicherung seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich gestiegen ist. 86% erkennen heute die Notwendigkeit finanzieller Vorsorge gegen den drohenden Verlust der Arbeitskraft, im Vergleich zu 73% im Jahr 2020. Trotzdem besitzt nur etwa ein Viertel eine ausreichende Arbeitskraftabsicherung. Dies unterstreicht den klaren Auftrag an die Branche, den Zugang zu bedarfsgerechten Angeboten für mehr Menschen zu ermöglichen.</p><h5>Start der Arbeitskraftabsicherung – je früher desto besser</h5><p>Ebenso positiv wie das vorhandene Bewusstsein ist ein weiteres Ergebnis hervorzuheben: Ein Großteil der 14- bis 45-Jährigen weiß, dass es sinnvoll ist, frühzeitig mit der Vorsorge zu beginnen. 76% sind der Meinung, dass die Absicherung der Arbeitskraft spätestens zum Start ins Berufsleben erfolgen sollte. Lediglich 11% würden damit bis zur Gründung einer Familie warten. Junge Menschen profitieren davon, sich kostengünstig absichern zu können, und haben in der Regel weniger Vorerkrankungen, was ihnen einen leichteren Zugang zu einer Absicherung ermöglicht.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Kriterien bei der Auswahl einer Arbeitskraftabsicherung--><h5>Kriterien bei der Auswahl einer Arbeitskraftabsicherung</h5><p>In der Studie wurden die Menschen ohne Arbeitskraftabsicherung nach den für sie überzeugendsten Argumenten für den Abschluss eines Vorsorgevertrags gefragt. Dabei steht bei den wichtigsten Punkten an erster Stelle – wenig überraschend – ein günstiger Preis mit niedrigen Beiträgen. Direkt danach folgt der Wunsch nach einem vertrauenswürdigen Angebot von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Diese Ergebnisse stärken beispielsweise die MetallRente als Versorgungswerk von Gesamtmetall und IG Metall in ihrer Arbeit. Sie betonen die Bedeutung einer aufmerksamen Überwachung der Angebote durch die Gesellschafter. Diese Bemühungen werden auch von den Kunden durch ein hohes Maß an Vertrauen wertgeschätzt.</p><h5>Frauen sorgen häufiger aus finanziellen Gründen nicht vor</h5><p>Die aktuellen Studienergebnisse zeigen, dass die finanzielle Lage der Beschäftigten insgesamt angespannter ist als noch vor drei Jahren. Besonders stark fällt dieser Punkt bei Frauen ins Gewicht. 38% der Frauen ohne Arbeitskraftschutz geben an, dass ihnen die finanziellen Mittel für die Vorsorge fehlen – im Vergleich zu 2020 ein Anstieg um 10 Prozentpunkte. Der höhere Anteil an Teilzeitbeschäftigung bei Frauen führt dazu, dass herkömmliche Berufsunfähigkeitsversicherungen oft keinen adäquaten Schutz bieten. Einige Anbieter haben darauf reagiert und bieten spezielle Lösungen für diese Zielgruppe an, bei denen die Teilzeit bei der Prüfung der Leistungen berücksichtigt wird.</p><h5>Impulse aus der Studie für den Vertrieb</h5><p>Die MetallRente-Studie zeigt, dass eine Diskrepanz zwischen dem Wissen um die Bedeutung der Arbeitskraftabsicherung und dem tatsächlichen Handeln bei den Menschen besteht. Hieraus ergeben sich konkrete Handlungsempfehlungen für Beraterinnen und Berater:</p><h5>1. Wissensvermittlung und Aufklärung:</h5><ul><li>Fortlaufende Aufklärungsarbeit und die Schließung immer noch vorherrschender Wissens­lücken und „Versorgungsillusionen“ durch qualifizierte Beratung ist entscheidend.</li><li>Hierbei kann die Nutzung von E-Learning-Tools wie dem eBranchenCampus für die weitere Qualifizierung von Beraterinnen und Beratern unterstützen.</li></ul><h5>2. Förderung des frühzeitigen Starts der Arbeitskraftabsicherung:</h5><ul><li>Ein Türöffner im persönlichen Gespräch ist die positive Einstellung junger Menschen zur frühzeitigen Absicherung der Arbeitskraft.</li><li>In diesem Kontext sollten die Vorteile hervorgehoben werden, die eine Absicherung bereits im frühen Lebensalter mit sich bringt – nämlich günstige Konditionen und einen leichteren Zugang.</li></ul><h5>3. Berücksichtigung von Kundenanforderungen:</h5><ul><li>Beschäftigte wünschen sich erschwingliche und vertrauenswürdige AKS-Angebote. Branchenversorgungswerke wie MetallRente haben durch die Qualitätssicherung der Gesellschafter einen echten Vorteil am Markt und genießen großes Vertrauen bei den Beschäftigten.</li><li>Wichtig ist immer auch der individuelle Blick auf die Lebens- und Berufssituation des Kunden, um bedarfsgerechte Lösungen zu ermitteln.</li></ul><h5>4. Spezielle Lösungen für Menschen mit geringem Budget:</h5><p>Wichtig ist die Beachtung der finanziellen Situation, insbesondere bei Frauen und Teilzeitbeschäftigten mit niedrigen Einkommen, um auch diesen Gruppen eine gute Versorgung zu ermöglichen.</p><p>Mehr zur Studie: <a href="https://www.metallrente.de/aktuelles/detail/metallrente-aks-studie-2023…; target="_blank" >metallrente.de/aks-studie-2023</a></p><p>Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2024 und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/de/profiles/53e4066999da-asscompact/editio…; target="_blank" >ePaper</a>.</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © OlekStock– stock.adobe.com</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/87B8415E-2BA6-4CF5-B35A-867AB1E7244C"></div>

 
Ein Artikel von
Stefan Limmer

BU: Wie sind Antragsfragen des Versicherers auszulegen?

Im BU-Bereich treten häufig rechtliche Auseinandersetzungen auf, nachdem Leistungsansprüche gegenüber dem Versicherer geltend gemacht wurden. Grund dafür können die Fragen im Versicherungsantrag sein. Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke erläutert, wie die Antragsfragen zum Gesundheitszustand auszulegen sind.

Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Bei ungenauen, schwammigen oder unpräzisen Fragen ist dem Versicherungsnehmer häufig unklar, was der Versicherer konkret wissen möchte und was gegebenenfalls gefahrerheblich ist. Möglicherweise ist der Versicherungsnehmer schon aus Verständnisgründen nicht gezwungen, genaue Angaben zu machen. Doch was versteht man unter den Begrifflichkeiten wie beispielsweise „Untersuchung, Behandlung und Beratung“? Wie sind Antragsfragen rechtlich einzuordnen? Wie ist mit ungenauen Fragen umzugehen? Dies und weitere Fragen werden im nachstehenden Artikel beleuchtet.

Rechtliche Einordnung von Antragsfragen

Der zu Versichernde hat gemäß § 19 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) abgefragte Gefahrumstände anzuzeigen, soweit sie ihm bekannt sind, und so, wie sie ihm bekannt sind. Fragen in Antragsvordrucken sind grundsätzlich keiner Kontrolle nach den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) (§§ 305  ff. BGB) unterworfen, da sie keine Regelungen beinhalten. Deshalb können unklare Fragen nicht wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder aus anderen AGB-Gründen „unwirksam” sein. Nach herrschender Meinung sind Antragsfragen jedoch wie AGB auszulegen. Es kommt daher auf die von der Rechtsprechung im Versicherungsrecht entwickelten allgemeinen Auslegungsgrundsätze an. Fragen sind daher aus der Sicht eines verständigen und um Aufmerksamkeit bemühten Versicherungsnehmers auszulegen. Aus Sicht eines Versicherers, der den Antrag auf Abschluss einer Versicherung vorformuliert, kann der zu Versichernde seinen Willen mit der Unterzeichnung des Antrags nur so erklären, wie er seinerseits den vom Versicherer vorgegebenen Text versteht.

Unklare Fragen sind grundsätzlich in entsprechender Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB zugunsten des Versicherungsnehmers auszulegen. Systematische Mängel innerhalb des Fragentextes und/oder im Fragenblock können dann in entsprechender Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung der für den Versicherungsnehmer günstigeren Variante führen.

Untersuchungen, Behandlungen, Beratungen

Bei Antragsfragen nach Untersuchungen, Beratungen, Behandlungen ist zu prüfen, ob diese überhaupt auslegungsbedürftig sind. Wird nur nach „Untersuchungen“ etc. gefragt – also ohne deren Anlass und Ergebnis – fehlt es bereits an auslegungsbedürftigen Begriffen. Denn es geht nur um das „Ob“ der Untersuchung etc. Demnach geht es dabei nicht um das Ergebnis, sondern der Versicherer fragt ohne Einschränkung nach jeglicher Untersuchung und Beratung, unabhängig davon, ob dabei eine Krankheit festgestellt wurde.

Fragt der Versicherer hingegen, ob „in den letzten zehn Jahren wegen eines Leidens, einer Erkrankung, eines Unfalls oder wegen sonstiger Gesundheitsstörungen ärztlich beraten, behandelt, untersucht” worden sei, so erfolgt, wenn der Untersuchung nur eine Bagatellerkrankung zugrunde liegt, keine Verletzung der Anzeigeobliegenheit, da es schon an einem gefahrerheblichen Umstand, auf den sich die Untersuchung bezogen hat, fehlt.

Was fällt unter den Begriff der ärztlichen Behandlung?

Die Frage nach „ärztlichen oder anderen Behandlungen” ist hingegen weit auszulegen. Unter den Begriff „Behandlungen“ fallen nicht nur ambulante Heiltätigkeiten, sondern auch Krankenhausbehandlungen. Auch ein bloßer Arztbesuch ist eine Behandlung, da man sich dafür landläufig „in Behandlung begibt“. Der Arzt muss also nicht zwangsläufig diagnostische oder therapeutische Maßnahmen einleiten. Fragt der Versicherer nach „heilkundlicher Behandlung”, ist jede berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Menschen anzugeben, also auch zur Durchführung einer Psychotherapie befugte Psychologen, ferner bspw. Physio- oder Ergotherapeuten und Heilpraktiker. Fragt der Versicherer hingegen nur nach ärztlicher Behandlung, so hat er sich selbst auf den Arztberuf beschränkt.

Auf die Frage „Sind Sie in den letzten fünf Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden? Weshalb?“ muss der zu Versichernde auch solche Untersuchungen angeben, die von einem Dritten „aufgedrängt“ wurden, denn es kommt nicht darauf an, dass die ärztliche Untersuchung nicht aus eigener Sorge erfolgte. Der Anlass oder Grund der Konsultation ist gleichgültig, denn den Versicherer interessiert erkennbar zunächst nur, ob der Versicherte beim Arzt war. Ferner sind solche Fragen so zu verstehen, dass nicht nur die letzte Untersuchung, sondern sämtliche ärztliche Konsultationen in dem Zeitraum vor Antragstellung anzugeben sind.

Indessen muss der zu Versichernde Beratungen, die nicht bei einer ärztlichen Fachkonstitution, sondern nur „bei Gelegenheit“ erfolgt sind, nicht angeben, da er nicht davon ausgehen muss, dass dies den Versicherer ernsthaft interessiert. Wer deshalb auf einer Party einen Arzt kennenlernt und sich mit diesem (auch lange und ausführlich) über Beschwerden unterhält, die dieser „kostenlos” kommentiert, wird nicht beraten.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Antragsfragen sind nach herrschender Meinung wie AGB auszulegen. Daher sind die Fragen unter Zugrundelegung der allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus Sicht eines verständigen und um Aufmerksamkeit bemühten Versicherungsnehmers auszulegen. Dabei sind unklare Fragen grundsätzlich zugunsten des Versicherungsnehmers auszulegen. 

Weitere wissenswerte Beiträge zum Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung sind hier auf der Website der Kanzlei Jöhnke & Reichow zu finden.

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Zurich startet BU für Schüler

Die Zurich Gruppe Deutschland launcht zum Jahreswechsel eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Schüler ab zehn Jahren. Neben der Berufsunfähigkeit ist für die Dauer der Schulzeit auch der Verlust von zehn Grundfähigkeiten mitversichert.

Die Zurich Gruppe Deutschland bietet künftig eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) für Schüler ab einem Alter von zehn Jahren an. Die neue Police „Junior BU+“ (Produktname im Bankvertrieb: „Junior BerufsKasko“) ist ab Januar 2024 abschließbar.

Neben dem Risiko der Berufsfähigkeit bietet das neue Produkt auch Schutz gegen den Verlust von zehn Grundfähigkeiten. Die folgenden Fähigkeiten sind während der Schulzeit oder bis zu einem maximalen Alter von 21 Jahren mitversichert: Sehen, Hören, Sprechen, Sitzen, Gehen, Schreiben, Tastaturgebrauch, Handgebrauch, Greifen und Halten sowie Treppensteigen.

Verzicht auf abstrakte Verweisung auf einen anderen Schultyp

Die maximale Rentenhöhe beträgt laut dem Unternehmen 1.500 Euro ohne Dynamik und 1.250 Euro mit Dynamik. Zudem verzichtet der Versicherer auf die abstrakte Verweisung auf einen anderen Schultyp. Bei Versetzung in die gymnasiale Oberstufe oder dem erstmaligen Beginn einer Ausbildung, eines Studiums oder einer Berufstätigkeit ist eine Besserstellung der Berufsgruppe möglich.

Die Absicherung in jungen Jahren hat den Vorteil, dass die versicherten Personen meist gesund sind und entsprechend niedrige Beiträge für die gesamte Vertragslaufzeit erhalten können, unabhängig von der späteren beruflichen Entwicklung, so die Zurich Gruppe Deutschland.

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HDI verzichtet in der BU vollständig auf Verweisung

Ab Jahreswechsel verzichtet die HDI in ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung EGO Top vollständig auf die Verweisung. Damit soll die Leistungsprüfung erheblich vereinfacht werden. Die Neuerung stellt laut dem Versicherer einen Meilenstein in der Branche dar.

Die HDI verzichtet ab dem 01.01.2024 für alle neu abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) vollständig auf die Regelungen zur Verweisung. Das Produktupdate der HDI EGO Top BU soll die Leistungsprüfung erheblich vereinfachen – solange eine mindestens 50%-ige Berufsunfähigkeit für den zuletzt ausgeübten Beruf besteht, wird eine BU-Rente gezahlt, unabhängig davon, ob der Versicherte einen anderen Beruf aufgenommen hat.

Die Neuerung stellt einen Meilenstein in der Branche dar, so das Unternehmen. „Mit dem vollständigen Verzicht auf Verweisungen in der Erst- und der Nachprüfung ist ein neues Level in der Geschichte in der Arbeitskraftabsicherung in Deutschland erreicht“, so Thomas Lüer, Vertriebschef HDI Versicherungen.

Anpassungen bei den Prämien und den Gesundheitsfragen wurden nicht vorgenommen. Das Unternehmen erhofft sich durch die Änderungen weiteres Wachstum im Neugeschäft.

Teleclaiming und „Vor-Ort-Service“ im Kundenservice

Auch im Kundenservice gibt es Veränderungen. Der Versicherer bietet Kunden nun Teleclaiming sowie einen „Vor-Ort-Service“ an. Beim Teleclaiming hilft ein Mitarbeiter Kunden telefonisch dabei, BU-Leistungsanträge auszufüllen. In besonders schweren Fällen machen Mitarbeiter auch Hausbesuche, um Versicherte dabei zu unterstützen, die erforderlichen Angaben zu machen. (js)

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Franke und Bornberg: BU-Leistungspraxis auf hohem Niveau

Fast vier von fünf BU-Anträgen werden bewilligt. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Antrags. Die Versicherer haben derweil noch mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Das sind einige der Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten 8. BU-Leistungspraxisstudie von Franke und Bornberg.

Um die Arbeitskraftabsicherung ranken sich weiterhin viele Mythen. Neben „zu teuer“ und einer „Mich-trifft-es-sowieso-nicht“-Mentalität vieler Arbeitnehmer wird der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) auch immer wieder nachgesagt, sowieso nicht zu zahlen, wenn es darauf ankommt. Aus diesen und anderen Gründen entscheiden sich viele, sich nicht abzusichern.

Doch laut dem Analysehaus Franke und Bornberg wird die Kritik an der BU langsam leiser. Stattdessen stehen mehr und mehr Fakten im Vordergrund. Grundlage dieser Einschätzung ist die 8. BU-Leistungspraxisstudie, die das Analysehaus kürzlich veröffentlicht hat. Für die Studie legten zehn BU-Versicherer, inklusive der vier Marktführer hierzulande, ihre Prozesse und Daten in der BU-Leistungsprüfung offen. Insgesamt machen die Teilnehmer etwa 60% des deutschen BU-Marktes aus.

Anerkennungsquote schwankt je nach Art der Krankheit

Mit einem der oben genannten Vorurteile räumt die Studie gleich auf: Die große Mehrheit der Entscheidungen fällt demnach zugunsten der Versicherten aus: 78,04% aller Anträge wurden im Jahr 2022 bewilligt – die Quote bliebt damit laut Franke und Bornberg im Vergleich zu den Vorjahren stabil.

Kam es doch zu einer Ablehnung, war der Grund in mehr als der Hälfte der Fälle (58,6%) das Nicht-Erreichen des vertraglich vereinbarten BU-Grades, darauf folgten Anfechtungen und Rücktritte (20,41%). Allerdings ist die Anerkennungsquote nicht bei jeder Art von Krankheit gleich – während 95% der Anträge wegen Krebs anerkannt werden, sind es bei psychischen Leiden knapp drei Viertel (72,5%). Im Vergleich zum Vorjahr ist das zwar ein Plus von 3%, zeigt aber, dass es für Versicherer ein Problem bleibt, psychische Erkrankungen, ihre Folgen für die berufliche Tätigkeit und die weitere Prognose einzuschätzen, so die Analysten.

 

Franke und Bornberg: BU-Leistungspraxis auf hohem Niveau

 

Die Studie zeigt auch, dass das Alter der Versicherten damit zu tun hat, ob ein Antrag Erfolg hat. Bei älteren Versicherten werden Anträge häufiger bewilligt als bei jüngeren (siehe Grafik). Ab Ende 40 steigt die Kurve der Anerkennungen. Jenseits der 60 gibt es kaum noch Ablehnungen, wie die Analyse der Ratingagentur zeigt.

Psychische Leiden häufigster Grund für Berufsunfähigkeit

Obwohl sie die häufigsten Ablehnungen zur Folge hatten, waren psychische Leiden mit 28,44% der Fälle im Jahr 2022 die häufigsten Auslöser für eine Berufsunfähigkeit. Weitere häufige Auslöser sind Krankheiten am Bewegungssystem (22,76%) und Krebserkrankungen (19,48%). Unfälle spielen dagegen mit 3,38% nur eine untergeordnete Rolle.

Dabei sind Frauen häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als Männer, Männer werden dagegen häufiger aufgrund von Krankheiten des Muskel-Skelettsystems oder aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen berufsunfähig als Frauen.

Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen

Die Regulierungsdauer beträgt etwa sechs Monate. Das gilt sowohl für Annahmen als auch für Ablehnungen. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist diese Dauer sogar etwas angestiegen. Auch hier spielt die Art der Erkrankung eine Rolle – bei psychischen Erkrankungen und Unfällen dauert es normalerweise länger bis zur Entscheidung als etwa im Falle einer Krebserkrankung.

Den Abschluss der Leistungsprüfung zu verschnellern ist für Versicherer „nicht trivial“, heißt es in der Studie. Nicht nur haben sie auf einige Phasen der Regulierung keinen direkten Zugriff – obwohl es hier „vielversprechende Ansätze“ von einigen Unternehmen gibt, um kurze Reaktionszeiten von weiteren Beteiligten zu fördern – sondern auch hier hat die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen: Die Versicherer haben seither vermehrt mit Fachkräftemangel zu kämpfen. „Der Markt für qualifizierte BU-Leistungsprüferinnen und -prüfer scheint leergefegt“, schreiben die Analysten. Unternehmen versuchen daher, den Personalengpass mit Nachwuchs aus den eigenen Reihen zu stärken. Auch fehlende Fachärzte und Gutachter sowie spät eintreffende Stellungnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft verlangsamen den Prozess.

Erfolgsfaktor Mensch

Trotz allen Hürden betreiben die teilnehmenden BU-Versicherer die BU-Leistungsprüfung „fachlich und organisatorisch auf hohem Niveau“, so Franke und Bornberg. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist und bleibt dabei der Mensch – künstliche Intelligenz und Machine Learning spielen in der BU-Leistungsprüfung weiterhin eine nur untergeordnete Rolle.

„Wer möchte schon Kunden erklären, dass eine Maschine über ihre Leistung entschieden hat? Auf beiden Seiten des Leistungsantrags stehen immer noch Menschen im Mittelgrund“, so Michael Franke, Gründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg. Der Einsatz von KI sei für Versicherer trotzdem auch im Leistungsfall möglich, um weitere Effizienzvorteile zu erschließen. (js)

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