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5. Mai 2022
Ärztliche Akut- und Nachsorge: Einheitlicher Versicherungsfall?

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Ärztliche Akut- und Nachsorge: Einheitlicher Versicherungsfall?

Das OLG Frankfurt a. M. hat sich mit der Frage befasst, ob eine Akut- und Nachsorgebehandlung im Rahmen der Behandlung einer Zahnfleischerkrankung einen einheitlichen Versicherungsfall in der PKV bildet. Auch das Ende des Versicherungsfalls musste geklärt werden.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Versicherungsnehmerin, Klägerin, unterhält bei der beklagten Versicherung eine private Zahn­zusatzversicherung, die sie zum 01.04.2012 bei einer Wartezeit von acht Monaten neben einer bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung abgeschlossen hatte.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten wegen einer 2015 durchgeführten Zahnersatzbehandlung (Oberkiefersanierung) Leistungen aus dieser privaten Zahnzusatzversicherung. Bereits im Mai 2013 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme. Seine Eintrittspflicht lehnte der Versicherer jedoch mit der Begründung ab, dass der Versicherungsfall bereits im Jahr 2004 eingetreten sei, als die Klägerin sich wegen Parodontose in Behandlung befand. Die Klägerin macht geltend, die damalige Behandlung sei 2005 ohne weiteren Behandlungsbedarf abgeschlossen worden. Das Landgericht wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab. Hiergegen richtet sich nunmehr die Berufung der Klägerin.

Rechtliche Wertung des OLG

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Die Versicherungsnehmerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Zahnbehandlung des Oberkiefers im Jahr 2015, da der streit­gegenständliche Versicherungsfall bereits vor Vertragsbeginn eingetreten sei, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG). Nach bestehender Rechtslage beginne der Versicherungsfall mit der Heilbehandlung und ende, wenn nach medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehe, so das Gericht.

Weiter führt das OLG aus, dass der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für die Vorvertraglichkeit trage. Die Beweislast der Beklagten erstrecke sich dabei nicht nur darauf, darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherungsfall vor Ablauf der Wartezeit eingetreten ist, sondern dieser müsse bereits vor dem technischen Versicherungs­beginn begonnen haben, so das OLG. Kein Versicherungsschutz bestehe demnach für medizinisch notwendige Heilbehandlungen, mit denen bereits vor dem 01.04.2012 begonnen wurde, wobei die Behandlungsbedürftigkeit nicht bereits vor Beginn des Versicherungsschutzes wieder entfallen sein dürfe. Für den Beginn der „Behandlung“ einer Krankheit stelle der Bundesgerichtshof (BGH) auch bei einem schon bekannten Grundleiden auf die erste Inanspruchnahme jeglicher ärztlichen Tätigkeit ab, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist.

Nach diesem rechtlichen Maßstab habe der Versicherer den erforderlichen Beweis erbracht. Denn aus den Behandlungsunterlagen aus dem Jahr 2004/2005 ergebe sich, dass eine behandlungsbedürftige Parodontose bereits 2004 behandelt worden sei. Das OLG konnte im Rahmen der Beweisaufnahme demnach feststellten, dass die Parodontose damals nicht ausgeheilt gewesen sei, sondern eine durchgängige Behandlungsbedürftigkeit fortbestanden habe. Die im Jahr 2015 durchgeführte Oberkiefersanierung sei danach eine direkte Folge der vorhandenen chronischen Parodontose und nicht als spontane Neuerkrankung anzusehen.

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Ein Artikel von
Björn Thorben M. Jöhnke