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8. März 2022
„Dem Thema New Work kann sich niemand verschließen“

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Business unity. Corporate team putting hands together, panorama with free space, top view

„Dem Thema New Work kann sich niemand verschließen“

Es wird viel über Diversität im Arbeitsleben gesprochen. Was verstehen Sie persönlich darunter?

Diversität ist für mich in erster Linie ein Kulturthema – ich mache das nicht nur an den bekannten Diversity-Dimensionen fest. Wenn jeder als Person so sein darf, wie er ist, und als Mensch wertgeschätzt wird, kommt in der Regel der beste Output heraus. Dort, wo „genormte Führungskräfte“ erwartet werden, haben viele gute Köpfe kein Interesse, sich zu verstellen, um beruflich aufzusteigen. Es geht viel Innovation und Kreativität verloren.

Wie und wo wird das in der Finanz- und Versicherungsbranche Ihrer Erfahrung nach bisher wirklich gelebt? Welche Bedeutung kommt Diversität in der Versicherungswelt zu?

Diversität und ihre Bedeutung sind schon längst in der Branche angekommen. Das Thema wird ganz natürlich durch den Fachkräftemangel und die Erwartungshaltung der neu in den Arbeitsmarkt tretenden Generationen getriggert. Die jüngeren Generationen können sich aufgrund des aktuell vorherrschenden „Bewerbermarktes“ den Arbeitgeber aussuchen und das Thema Diversität ist ein „Coolness-Faktor“. Generell stelle ich fest, dass Versicherungsunternehmen als Arbeitgeber in den letzten Jahren immer „cooler“ geworden sind. Dies hängt unter anderem mit der Abflachung von Hierarchien, der Zunahme von mobilem Arbeiten (auch schon vor Corona), inspirierenden Bürokonzepten, einer Zunahme der Duz-Kultur sowie zunehmend agileren Arbeits­methoden zusammen.

Ein weiteres großes Thema, das neuen Aufschwung durch die Corona-Pandemie erlangt hat, ist „New Work“. Es beschreibt eine neue, moderne und oft kreative, freie Arbeitsweise inmitten von Globalisierung und Digitalisierung. Genannt werden in diesem Zusammenhang oft das mobile Arbeiten oder Work-­Life-Balance. Wie ist Ihre Einstellung allgemein dazu? Welche Herausforderungen sehen Sie?

Dem Thema New Work, das ja auch ein „Lebens­gefühl“ darstellt, kann sich niemand verschließen. In unserer Branche geht der Trend zu 40 bis 60% Mobilarbeitsquote im New Normal. 63% der Versicherungsunternehmen ermöglichen eine Mobilarbeitsquote von 50% und mehr, so unsere aktuellen Zahlen. Mitarbeiterbefragungen zeigen, dass diese Quoten den Präferenzen der Mitarbeitenden entsprechen. Für Führungskräfte sehe ich größere Herausforderungen, die Mitarbeitenden als Team zusammenzuhalten und die Identifikation mit dem Unternehmen nicht zu verlieren. Führen, was in der heutigen Zeit sehr viel mit wertschätzender Kommunikation zu tun hat, wird anspruchsvoller. Durch die globale Zunahme der Mobilarbeit können die Mitarbeitenden theoretisch für jeden Arbeitgeber arbeiten, selbst wenn er 700 km entfernt ist. Solange er noch irgendwo in Deutschland sitzt, gibt es auch keinerlei steuerrechtliche Komplikationen.

Sehen Sie New Work speziell für Frauen, die ja immer noch oft der Familie zuliebe weniger arbeiten, als Vorteil? Warum oder warum nicht?

New Work steht für eine Kultur der zeitlichen Flexibilität und des Outputs und räumt auf mit der alten „Präsenz-Kultur“, in der es auch darauf ankam, um 19 Uhr noch „schuftend“ am Arbeitsplatz gesehen zu werden. Frauen, die oft noch die Rolle des Familienmanagements übernehmen, waren zu diesen Zeiten nicht mehr im Büro. Dass sie womöglich schon um 6 Uhr zu arbeiten begonnen haben, war dann auch irrelevant. New Work ist grundsätzlich ein Benefit für Frauen wie Männer, die nun alle selbstbestimmter ihr Privatleben und den Job verbinden können. Bei Frauen sehe ich insoweit nur die Gefahr, dass sie sich womöglich für eine höhere Mobilarbeitsquote im Vergleich zu Männern entscheiden und damit im Ergebnis auch wieder ihre Sichtbarkeit leidet.

 
Ein Interview mit
Betina Kirsch