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3. Mai 2021
„Die Menschen müssen sich ein Stück weit von ihrer Garantiefixierung lösen“

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„Die Menschen müssen sich ein Stück weit von ihrer Garantiefixierung lösen“

Die DAV empfiehlt, den Höchstrechnungszins zu senken. Was erwarten Sie da vom Finanz­ministerium und wie verändert dies den Markt weiter?

Die Entscheidung zum Höchstrechnungszins ist just für diese Tage angekündigt. Wir haben eindringlich an den Gesetzgeber appelliert, zusammen mit der Senkung des Höchstrechnungszinses auf 0,25% auch den bislang gesetzlich vorgeschriebenen Beitragserhalt in der Riester-Rente und bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) in der betrieblichen Altersversorgung zu überarbeiten. Denn eine singuläre Senkung des Höchstrechnungszinses stellt nach unseren Analysen kein gesamthaftes Konzept dar, um die kapitalgedeckte Altersvorsorge angesichts der anhaltenden Tiefzins­situation zukunftsfest zu machen.

Sollte es mit der von der DAV geforderten Senkung des Höchstrechnungszinses keine Reform der Riester-Rente und der BZML geben, werden sich nach DAV-Erwartungen die meisten Unternehmen aus diesen Geschäftsfeldern zurückziehen müssen. Bereits heute bieten die Banken keine Riester-Produkte mehr an, die Fondsgesellschaften steigen zunehmend aus und laut Daten der Ratingagentur Assekurata bieten auch bereits 40% der Lebensversicherer keine Riester-Rente mehr an.

Die Inflation wird vermutlich in dem Jahr in Deutschland deutlich steigen. Was bedeutet das für die Lebensversicherung?

Wie auch eine aktuelle Studie des ifa aus Ulm zeigt, sind zu hohe Garantieniveaus in Zeiten steigender Inflation und teilweise negativer Kapitalmarktzinsen Gift für die Realwertrendite. Gerade jetzt wäre es sinnvoll, Teile der Kundengelder in chancenorientierte Komponenten wie Aktien oder alternative Investments anzulegen, da diese über lange Zeiträume eine positive Korrelation mit der Inflation aufweisen. Das haben die Versicherer bereits vor Jahren erkannt und ihre Angebote mit fondsgebundenen Policen massiv ausgebaut, sodass die alte Klassik immer mehr zum Spartenprodukt für sehr sicherheitsorientierte Menschen wird. Jetzt ist es an der Politik, auch die bereits diskutierten staatlich geförderten Produkte wie Riester-Rente und BZML aus ihrem starren Korsett zu entlassen.

Wann erwarten Sie denn wieder einen Zinsanstieg und welche Folgen hätte der für die Ver­sicherer und die Lebensver­sicherungsverträge?

Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Ausweitung der EZB-Anleihenprogramme erwarten wir in den kommenden Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, keinen signifikanten Anstieg der Zinsen. Natürlich kann es sein, dass die Marktzinsen um 0,5 Prozentpunkte steigen, wie wir es Anfang 2021 gesehen haben. Aber das ist keine Trendumkehr. Viele Markt­beobachter gehen davon aus, dass die EZB kurz- bis mittelfristig beispielsweise für Deutschland die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen nicht über –0,30% steigen lassen wird. Denn viele hoch verschuldete Länder könnten sich steigende Zinsen schlichtweg nicht leisten, und das weiß die EZB ganz genau.

Daher ist eine Diskussion über steigende Zinsen aktuell nicht angebracht. Es steht eher die Frage im Raum, wie weit der Zinsverfall noch gehen kann und was das für die Lebensversicherer bedeuten würde. Und genau diese Auswirkung auf die Lebensversicherung zu managen, das ist eine der Hauptaufgaben von uns Aktuaren und Aktuarinnen als Gralshüter der Sicherheit.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2021, Seite 40 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Sashkin – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Herbert Schneidemann