Beobachten Sie denn auch eine Gegenbewegung zum New-Work-Trend? Stichwort: verpflichtende Rückkehr ins Büro oder sogar eine 6-Tage-Woche?
Was wir aktuell sehen, ist keine Gegenbewegung, aber durchaus eine neue Nachdenklichkeit – vor allem aufseiten der Unternehmensleitungen, wenn in der Presse wieder zu lesen ist, dass namhafte Konzerne ihre Home-Office-Quoten zurückfahren. Führungskräfte äußern teilweise eine gewisse Skepsis, was die Produktivität im Home-Office angeht. Hier geht es selten um operative Bereiche, in denen sich Leistung gut messen lässt, sondern eher um projektbezogenes Arbeiten in Stabsabteilungen.
Gleichzeitig erleben wir, dass niemand ernsthaft die vollständige Rückkehr zur 100%-Präsenzpflicht fordert – allein schon, weil viele Häuser nur noch für 70% der Beschäftigten Bürokapazität vorhalten. Zudem steht Vertrauen auf dem Spiel. New Work ist längst Teil der gelebten Unternehmenskultur – das lässt sich nicht einfach zurückdrehen. Was wir aber beobachten, ist eine leichte Korrektur der extremen Flexibilisierung, wie wir sie in der unmittelbaren Post-Corona-Zeit erlebt haben. Das Pendel war stark in Richtung Mitarbeitende ausgeschlagen – mit sehr großzügiger Mobilarbeit. Jetzt – angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten und einer verbesserten Recruiting-Situation – bewegt sich das Pendel etwas zurück zur Mitte. Unternehmen schauen wieder genauer hin: Wie sichern wir Innovation, Kollaboration und Zusammenhalt?
Welche Kritik am New-Work-Trend halten Sie persönlich für berechtigt? Wo sehen Sie Herausforderungen, die man nicht ausblenden darf?
New Work darf nicht als Einbahnstraße in Richtung Selbstoptimierung der Beschäftigten verstanden werden. Zunehmend ist ein Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Arbeitgeber und dem veränderten Selbstverständnis vieler Mitarbeitender zu beobachten. Während sich Unternehmen – auch in der Versicherungsbranche – angesichts des Fachkräftemangels und des Wettbewerbs nach mehr Leistungsbereitschaft sehnen, bleiben aufseiten der Beschäftigten Themen wie Selbstverwirklichung oder gar die 4-Tage-Woche weiter im Trend. Aus Sicht der Beschäftigten ist das nachvollziehbar, dennoch muss man berücksichtigen, dass Leistung und Wohlstand eng miteinander verknüpft sind. In Deutschland arbeiten wir ohnehin weniger als im EU-Durchschnitt: 2023 lag die durchschnittliche Arbeitszeit hierzulande bei 34,4 Stunden pro Woche, während der EU-Durchschnitt bei 36,9 Stunden lag.
Zudem dürfen wir die Schattenseite der Selbstverantwortung nicht unterschätzen. Wenn Mitarbeitende permanent das Gefühl haben, sich selbst organisieren, optimieren und im Job verwirklichen zu müssen, kann das manche auch überfordern. Hier sind Führungskräfte gefragt, Orientierung zu geben und Überforderung früh zu erkennen.
Wohin könnte die Reise mit New Work noch gehen? Und was kommt nach New Work?
Ich glaube, wir stehen an einem Punkt, an dem New Work sich von einem Trend zu einem Fundament der Arbeitswelt entwickelt hat. Die spannende Frage ist, wie es sich weiterentwickelt. Ein entscheidender Treiber der Fortentwicklung von New Work ist der demografische Wandel. Wenn der durchschnittliche Renteneintritt bei 64 Jahren bleibt, wird in den kommenden Jahren etwa ein Drittel der Belegschaften in der Versicherungswirtschaft altersbedingt ausscheiden. Das ist eine enorme Herausforderung und wird den Fachkräftemangel weiter verschärfen. Diese Entwicklung treibt als Next Step den Übergang in eine „techno-soziale Arbeitswelt“. Künstliche Intelligenz ist dann nicht nur Tool, sondern echter Partner im Arbeitsprozess. Das hat großes Potenzial, um dem Fachkräftemangel zumindest teilweise entgegenzuwirken – und eröffnet gleichzeitig neue Anforderungen an Führung, Zusammenarbeit und Qualifikation. Dabei werden KI-Empowerment und Upskilling eine zentrale Rolle spielen: Beschäftigte müssen lernen, mit KI-Systemen zu arbeiten, sie zu verstehen, zu steuern und kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig wird es gerade bei Führung besonders stark auf soziale Kompetenzen ankommen – insbesondere darauf, Menschen im Veränderungsprozess zu begeistern und mitzunehmen.
Mein Fazit zur Post-New-Work-Ära: Die Arbeitswelt wird technischer, schneller, datenbasierter – bleibt jedoch auf Menschen angewiesen, die Technologien kompetent nutzen und Veränderungsprozesse aktiv und positiv begleiten.
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Seite 1 „New Work nützt allen – aber in ganz unterschiedlicher Weise“
Seite 2 Funktioniert New Work generell für alle Mitarbeitenden im Unternehmen? Und wie können Arbeitgeber unterschiedlichen Beschäftigtengruppen passgenaue Angebote machen?
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