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30. März 2020
Der Versicherungsombudsmann und die Rolle der Schlichtungsstelle

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Der Versicherungsombudsmann und die Rolle der Schlichtungsstelle

Wie sieht es beim sogenannten „unbefristeten Widerruf“ von Lebensversicherungen aus?
Auch hier könnte eine Schwemme von Beschwerden gegen Rechtsschutzversicherer drohen. Erwarten Sie in diesem Bereich eine schwierige Ausgangslage für Schlichtungsversuche?

Das sogenannte „ewige Widerrufsrecht“ bei Lebensversicherungs- und Darlehensverträgen aufgrund fehlerhafter Belehrungen beschäftigt uns weiter. Die große Welle früherer Jahre ist jedoch vorüber. Allerdings stellen wir jetzt fest, dass spezialisierte Kanzleien, auch im Wege von Online-Mandaten, alte Verträge, die bereits seit Langem beendet sind, mit Widerrufserklärungen für ihre Mandanten noch rückabwickeln wollen. Nachdem oft mehrere Jahre vergangen sind, berufen sich die Versicherer in solchen Fällen oft auf die Verwirkung des Widerrufsrechts. Hier ist die Einschätzung auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung oft schwierig: Die vom BGH für die Verwirkung aufgestellten Orientierungssätze sind sehr streng und stellen höchste Anforderungen an das Durchgreifen eines Verwirkungseinwandes. Andererseits überlässt der BGH aber die entsprechende Bewertung nach Treu und Glauben in weiten Teilen ausdrücklich den tatsacheninstanzlichen Gerichten. Diese sind zum Teil deutlich großzügiger, ohne dass das dann – ich lasse die Besonderheiten des Revisionsverfahrens zum BGH einmal beiseite – vom BGH beanstandet würde. Das macht die Entscheidung im Grenzbereich sowohl für die Rechtsschutzversicherer als auch für den Ombudsmann nicht gerade einfacher.

Die Rechtsschutzversicherer setzen verstärkt auf Mediatoren, um teure Gerichtsverfahren ihrer Kunden zu vermeiden. Bringt das Ihrer Meinung nach den gewünschten Erfolg?

Aus unseren Erfahrungen bei der Beschwerdebearbeitung heraus lässt sich das nicht verlässlich beurteilen. Informationen dazu erhalten wir über die Beschwerden meist nicht. Wenn, dann nur in dem Sinne, dass eine vorangegangene Mediation nicht zum Erfolg geführt hat.

LegalTechs stellen gerade für die Rechtsschutzversicherer eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar. Wie sehen Sie die Bedeutung der LegalTechs für die Zukunft der Versicherungswirtschaft?

Bei der Beschwerdebearbeitung spielen LegalTechs bislang keine nennenswerte Rolle. In der Zukunft werden sie sich wohl ihren Platz am Markt weiter erobern. Aber ihre Möglichkeiten dürften begrenzt sein.

Bezogen auf Vermittler gibt es wenig Beschwerden in Ihrem Haus. Wie erklären Sie sich das?

Die geringe Anzahl von Vermittlerbeschwerden, 261 im Jahr 2019, könnte man naheliegender Weise als Ausdruck großer Zufriedenheit mit der Tätigkeit der Vermittler bewerten. Doch hier ist Zurückhaltung am Platze: Die geringe Zahl lässt eine Verallgemeinerung nur in engen Grenzen zu. Wir können solche Vermittlerbeschwerden in vielen Fällen auch als Beschwerde gegen ein Unternehmen führen, wenn der Vermittler als Erfüllungsgehilfe eines Versicherungsunternehmens tätig geworden ist und dessen Tätigkeit deshalb zivilrechtlich auch dem Unternehmen zugerechnet werden kann. Dies hat für den Versicherungsnehmer den Vorteil, dass wir nach unserer Verfahrensordnung auch die Möglichkeit haben, das Unternehmen bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro zu verpflichten und nicht nur eine Empfehlung abzugeben. Im Verfahren der Vermittlerbeschwerden haben wir diese Befugnis zur verbindlichen Entscheidung nicht. Deshalb werden Beschwerden, denen Vermittlerhandeln, etwa ein behaupteter Beratungsfehler, zugrunde liegt, oft nicht als Vermittlerbeschwerden gezählt, sondern als solche gegen das Versicherungsunternehmen geführt. Im Übrigen ist es für die Versicherungsnehmer meist auch hinsichtlich der Folgen zielführender, sich an das in der Regel wirtschaftlich potentere Unternehmen zu halten.

Bild: © Gajus – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2020, Seite 38f. und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. h.c. Wilhelm Schluckebier