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Steuern & Recht
8. März 2022
Eine Klagewelle gegen Makler ist nicht zu erwarten

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Eine Klagewelle gegen Makler ist nicht zu erwarten

Das heißt, der ganze Verfahrenskomplex könnte theoretisch schon Ende Januar vorbei sein?

Ja, das könnte sein. Wenn der BGH die Entscheidung der entsprechenden Oberlandesgerichte bestätigt, dann gehe ich davon aus, dass die Sache zumindest für die typischen Verträge weitgehend geklärt sein wird. Anders wird es sicherlich sein, wenn der BGH den Versicherungsnehmern recht geben sollte. Dann wird die Thematik die Gerichte wohl noch etwas länger beschäftigen.

Mittlerweile ist die Pandemie kein unrealistisches Szenario mehr, sondern gelebter Alltag, und sie wird uns voraussichtlich auch noch in Zukunft beschäftigen. Wie hätten Vermittler das Risiko einer Pandemie aber rückblickend bewerten müssen und wie sieht es im Gegensatz dazu heute aus?

Hinsichtlich des Umfangs der Beratungspflicht müssen wir zwischen Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler unterscheiden. Während der Versicherungsvertreter den Bedarf des Versicherungsnehmers in der Regel nicht von sich aus ermitteln muss und insbesondere nicht zu einem breiten Produktvergleich im Sinne eines „best advice“ verpflichtet ist, ist die Beratungspflicht beim Makler deutlich weitreichender. Er muss das versicherte Risiko grundsätzlich selbst untersuchen. Ihm kommt damit auch eine eigene Pflicht zur Risikoermittlung und zur Risikoanalyse zu. Rückblickend habe ich aber Zweifel, ob man dem Versicherungsmakler die Pflicht auferlegen musste, das Szenario einer Pandemie und eines flächendeckenden Lockdowns zu bedenken. Entscheidend sind hier aber, wie so oft, die Umstände des Einzelfalls, also vor allem, was genau Inhalt des Beratungs­gesprächs war. So soll es wohl auch vorgekommen sein, dass sich Kunden bereits im Februar und März 2020, also kurz vor dem ersten Lockdown, nach einer Absicherung durch eine Betriebsschließungsversicherung erkundigt haben. Solche Fälle wären wohl dann wieder anders zu beurteilen.

Unter den heutigen Umständen müssen Versicherungsvermittler, wenn sie das Risikoprofil des Kunden ermitteln, nun zwingend über eine Betriebsschließungsversicherung beraten. Dabei haben sie vor allem auch auf die relevanten Risikoausschlüsse im Zusammenhang mit Epidemien und Pandemien klar hinzuweisen. Entsprechend den heute gültigen Bedingungen werden sich dabei jedoch keine großen Deckungsfragen mehr ergeben. Die Punkte, über die aktuell gestritten wird, sind in neueren Bedingungen jetzt ausdrücklich geregelt. Das ist ein aus meiner Sicht wichtiger Unterschied zu der damaligen Haftungssituation von Vermittlern, die jedenfalls nicht eigeninitiativ und ohne konkreten Anlass darüber aufklären mussten, wie diese komplexen und zum damaligen Zeitpunkt auch fernliegenden Deckungsfragen zu beantworten sind.

 
Ein Interview mit
Dr. Vincent Schreier