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8. Juni 2020
Haftung bei Grenzfällen zwischen Versicherung und Kapitalanlage

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Haftung bei Grenzfällen zwischen Versicherung und Kapitalanlage

Haftungs-„Fettnäpfchen“ Kapitalentnahme

Trotzdem ist unserer Versicherungsmakler hier gleich in mehrere „Fettnäpfchen“ getreten, die seine persönliche Haftung begründen und gegebenenfalls auch seinen Versicherungsschutz in diesem Fall tangieren könnten. Der erste Fehler liegt schon darin, dass er – zumindest missverständlich – seinem Kunden dargestellt hat, dieser könne „jederzeit an sein Geld kommen“. Während der Ver­sicherungsmakler damit – vielleicht – nur im Hinblick auf die lange Laufzeit andeuten wollte, dass tatsächlich während der Laufzeit bei der konkreten Versicherung jederzeit Entnahmen möglich seien, hat der Kunde dies aus seiner Sicht – und gerade bei der Abwägung gegenüber Anlageprodukten – so verstanden, dass er – zumindest notfalls – auch während der gesamten Laufzeit­zumindest „sein Geld“ in voller Höhe zurückbekommen könne und dabei keine „Strafzinsen“ zu befürchten hätte. Schon aus den Versicherungsunterlagen geht jedoch hervor, dass trotz der garantierten Ablaufleistung nach mehreren Jahrzehnten selbst unter Berücksichtigung der (nicht garantierten) Überschus­santeile über viele Jahre hinweg der Rückkaufswert deutlich unter dem eingezahlten Betrag liegt. Tatsächlich könnte der Kunde, wenn er zum Beispiel 1 Mio. Euro anfänglich eingezahlt hat, etwa nach einem Jahr 500.000 Euro „zurück­bekommen“. Aber er hätte dann nicht mehr die aus seiner Sicht verbleibenden weiteren 500.000 Euro als verbleibendes Kapital in seiner Lebensversicherung, sondern eben nur einen deutlich geringeren Betrag.

Wirtschaftliche Betrachtung eines Versicherungsproduktes

Spätestens an dieser Stelle kommt im Hinblick auf die Aufklärungspflichten der hier tatsächlich vorhandene wirtschaftliche Zweck einer Kapitalanlage ins Spiel, auch wenn es sich um ein Versicherungsprodukt handelt. Die Gerichte urteilen in ständiger, wenn auch nach wie vor etwas im Verborgenen blühenden Rechtsprechung, dass dann, wenn ein Versicherungsprodukt tatsächlich nach seinem wirtschaftlichen Gehalt als Kapitalanlage dient, der Vertrieb auch das komplette Pflichtenprogramm der Aufklärung bei Kapitalanlagen zu erfüllen hat. Eine ordnungsgemäße Vermittlung nach VVG bzw. IDD reicht alleine nicht.

„Stellt sich der Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar, so ist der Versicherer nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklärung bei Anlagegeschäften verpflichtet“, so hat es das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 05.07.2013 unter Verweis auf mehrere Urteile des Bundesgerichtshofes formuliert. Fast wortgleich lautet ein Leitsatz eines Hinweisbeschlusses des Kammergerichts vom 30.01.2018 und weitere immer wieder von den Instanzgerichten erlassenen Judikate.

 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Thomas Zacher