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14. April 2020
IDD-Check 2020: Beratungsverzicht auf dem Prüfstand

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IDD-Check 2020: Beratungsverzicht auf dem Prüfstand

Wünsche und Bedürfnisse im Online-Vertrieb abfragen

Online-Abschlüsse müssen einfach und vor allem schnell sein. Umso eher ist mancher Versicherungsvertreiber bereit, den Kunden einen Verzicht auf Beratung unterschreiben zu lassen und dann auf alle Fragen zu verzichten. Seit 2018 kann der Verzicht im Online-Vertrieb auch in Textform (also per Mail und ohne Unterschrift) gegeben werden. Aber: Kein Kunde kann auf etwas verzichten, was das europäische Recht als verpflichtend vorschreibt. Andererseits zählt das europäische Recht Beratung nicht zum verpflichtenden Teil, das VVG aber schon.

Die Schwierigkeit liegt also darin, die Vorgaben des europäischen Rechts mit denen des deutschen Rechts in Übereinstimmung zu bringen: Die Abfrage der Wünsche und Bedürfnisse muss immer erfolgen. Sie erfordert im Online-Vertrieb nur wenige Fragen. Die eingesetzten Algorithmen sind nicht besonders kompliziert und können Alternativfragen bzw. deren Antworten gut verknüpfen. Die Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse ist also auch im Online-Vertrieb machbar.

Beratung im Online-Vertrieb

Nach deutschem Recht muss jetzt eine Beratung erfolgen. Dabei muss der Beratungsaufwand lediglich angemessen sein. Online-Vertriebe vermitteln häufig „einfache“ Deckungen (z. B. Auslandsreise-Krankenversicherung durch einen Automaten am Flughafen). Der Aufwand für die Beratung darf in solchen Fällen gering ausfallen. Aber der Kunde muss, wenn er schon beraten wird, eine persönliche Empfehlung des Versicherungsvertreibers erhalten, in der erläutert wird, warum (gerade) dieses Versicherungsprodukt seinen Wünschen und Bedürfnissen am besten entspricht. Das ist wieder europäisches Recht, weniger darf man dem Kunden nicht geben (wenn man ihn schon berät). Eine solche Empfehlung wird der Automat am Flughafen im Zweifel aber nicht geben können. Die mit einer persönlichen Empfehlung zu verknüpfende Beratung ist im Online-Vertrieb also eher schwierig umzusetzen.

Verzicht nur auf weitergehende Beratung

Also kommt jetzt der Beratungsverzicht ins Spiel: Nachdem Wünsche und Bedürfnisse erfragt wurden und der Kunde eine objektive Information über das Versicherungsprodukt erhalten hat, kann ihn der Versicherungsvertreiber fragen, ob er auf eine weitergehende Beratung verzichtet. Wenn der Online-Kunde das tut – im gewählten Beispiel der Auslandsreise-KV am Automaten im Flughafen sehr wahrscheinlich –, darf der Versicherungsvertreiber ihm eine seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechende Police vermitteln. Das ist europäisches Recht („Standard für den Vertrieb ohne Beratung“) und deutsches Recht (Beratungsverzicht).

Schwierig ist dann „nur noch“ die geforderte Form: Auch im Online-Vertrieb („Fernabsatz“) soll der Verzicht in einer gesonderten Erklärung gegeben werden. Man wird sehen, wie die Gerichte diesen Passus auslegen werden.

Fazit: Verzicht ist nicht gleich Verzicht

Auf die Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse und die objektive Information über das Versicherungsprodukt kann niemals verzichtet werden. Der Versicherungsvertreiber muss diese immer erfragen. Er muss immer eine objektive Information über das Versicherungsprodukt geben. Er muss nicht beraten: Nach deutschem Recht ist hierzu jedoch ein Beratungsverzicht des Kunden erforderlich. Wenn der Versicherungsvertreiber aber berät, muss er eine persönliche Empfehlung abgeben.

Bild: © Eigens – stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2020, Seite 108 f., und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Maximilian Teichler