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16. Oktober 2022
Possenspiel in Nordfriesland wirft Reputations- und Rechtsfragen auf

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Possenspiel in Nordfriesland wirft Reputations- und Rechtsfragen auf

Rechtsstatus des Assekuradeurs

Im nordfriesischen Schauspiel agiert die Schleswiger Versicherungsservice AG als Versicherungsmakler und Assekuradeur. Funktion und Status des Versicherungsmaklers sind in § 59 Abs. 3 VVG klar definiert. Funktion und Status des Assekuradeurs haben dagegen im geltenden Vermittlerrecht keine Kodifikation erfahren. Diese unterscheidet lediglich Vertreter (auch Mehrfachvertreter, § 59 Abs. 2 VVG) und Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 3 VVG). Traditionell sind Assekuradeure Mehrfachvertreter, die mit weitreichenden Vollmachten eines oder mehrerer Versicherer ausgestattet sind. Der Umfang der Aufgaben und Vollmachten des Assekuradeurs ist regelmäßig in einem Agenturvertrag festgelegt. Danach übernimmt der Assekuradeur für den Versicherer zahlreiche Aufgaben wie den Abschluss und die Policierung von Versicherungsverträgen, Prämieninkasso, Schadenbearbeitung und mehr. Da es sich dabei im Grunde um Tätigkeiten eines Versicherers handelt, ist die Übertragung solcher Tätigkeiten auf einen Assekuradeur als Ausgliederung gemäß §§ 7 Nr. 2, 32 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) zu bewerten. Deshalb werden in den Agenturverträgen auch Revisions-, Informations-, Einsichts- und Prüfungsrechte des Versicherers vereinbart.

Demgegenüber steht der Versicherungsmakler im Lager des Kunden und nimmt dessen Interessen wahr. Obwohl Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler in unterschiedlichen Lagern stehen, gibt es auch Konstrukte, bei denen Versicherungsmakler umfangreiche Tätigkeiten von Versicherern übernehmen und entsprechend bevollmächtigt werden. Dabei handelt es sich um sogenannte technische Versicherungsmakler, die üblicherweise ebenfalls als Assekuradeur bezeichnet werden. Solche Konstrukte sind historisch gewachsen und seit dem Sachwalterurteil bzw. spätestens seit der Kodifizierung des deutschen Vermittlerrechts im Jahr 2007 problematisch, weil sie der vom Gesetzgeber gewollten klaren Polarisierung von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern widersprechen (Who can serve two masters?). Es liegt auf der Hand, dass gleichzeitiges Handeln für Kunden und Versicherer zahlreiche Interessenkonflikte in sich birgt, was der Öffentlichkeit am Beispiel der Schleswiger Versicherungsservice AG eindringlich vor Augen geführt worden ist. Nicht von ungefähr sind Insichgeschäfte gemäß § 181 BGB (sogenanntes Selbstkontrahierungsverbot) grundsätzlich unwirksam, es sei denn, sie sind dem Vertreter ausdrücklich gestattet. Dies bedingt entsprechende Befreiungen vom Selbstkontrahierungsverbot in den jeweiligen Vereinbarungen mit Versicherer und Kunden.

Gestufte Vermittlungsverhältnisse

Vollends problematisch werden dann Fallgestaltungen, bei denen der gleichzeitig als Versicherungsmakler und Assekuradeur handelnde Vermittler keinen unmittelbaren Kontakt zum Kunden hat, weil er „Geschäft“ von anderen Vermittlern entgegennimmt. Soweit es sich dabei um Versicherungsmakler handelt, ist immerhin eine Beauftragung von Versicherungsmakler an Untermakler mit Untervollmacht denkbar, aber in der Praxis wohl unüblich. Soweit es sich – wie im Fall unserer Frau K. aus der Kolumne in AssCompact 09/2022, S. 92 f. – bei dem „Geschäftseinreicher“ um einen Mehrfachvertreter handelt, wird die Gemengelage krude: Ein Vertreter vermittelt Versicherungsverträge an einen Versicherungsmakler, der gleichzeitig für den Versicherer tätig ist. Maklervertrag Fehlanzeige und unerlaubter Lagersprung.

Rechtsfragen bei der Kündigung

Offenbar streiten die Schleswiger Hauptdarsteller wechselseitig um die Rechtswirksamkeit ihrer Kündigungen. Eigentlich banal. Kündigungen sind einseitige, zugangs­bedürftige Willenserklärungen. Bestreitet der Empfänger den Erhalt, muss der Absender den Zugang der Kündigung beweisen. In der Praxis ist der Zugangsnachweis häufig problematisch. Bei hohen Streitwerten können selbst ein Einschreiben mit Rückschein oder automatisierte Eingangsbestätigungen per Fax oder Mail nicht in allen Fällen rechtssicher den Zugang beweisen. Da hilft nur die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers, der die Übergabe der Kündigung beurkundet, oder die Beauftragung eines Boten, der die Übergabe bezeugen kann. Bei der Übermittlung der Kündigung per Fax oder Mail hilft ein Anruf einer dritten Person beim Empfänger, die sich den Empfang bestätigen lässt und dies gegebenenfalls bezeugen kann. In Nordfriesland haben die Hauptdarsteller im Zweifel dilettantisch gehandelt.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2022, S. 108 f., und in unserem ePaper.

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