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9. März 2021
„Dass eine größere Krankenkasse in die Knie geht, können wir nicht brauchen“

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„Dass eine größere Krankenkasse in die Knie geht, können wir nicht brauchen“

Laut Statistik sind in Deutschland immer mehr Menschen nicht krankenversichert.
Verstärken höhere Kosten diese Entwicklung und inwieweit gibt dies Anlass zur Sorge?

Schon Anfang des Jahrhunderts war ein starker Anstieg der Zahl der Nicht-Versicherten beobachtet worden. Darauf hat die Politik 2007 mit der Einführung der Pflicht für alle Einwohner, sich zu versichern, reagiert. Die Zahl der Nicht-Versicherten ist danach zunächst auch gesunken. Dass sie jetzt wieder steigt, gibt in der Tat Anlass zur Sorge. Ich war schon damals dafür, dass wir stärker staatlich kontrollieren, ob die Leute sich versichert haben.

Nun hat Corona auch die Digitalisierung vorangetrieben – gilt dies Ihrer Einschätzung nach auch für das Gesundheitswesen? Infolge der Pandemie zeigt sich ja ein Boom bei Videosprechstunden und telefonischen Beratungen.

Ja, auch im Gesundheitswesen hat Corona die Digitalisierung vorangetrieben. Die Pandemie hat aber auch brutal deutlich gemacht, wie groß da zum Teil der Handlungsbedarf war und auch teilweise immer noch ist.

Als Meilenstein hin zur digitalen Infrastruktur kann man die Einführung der elektronischen Patientenakte betrachten, die nun stufenweise umgesetzt wird. Bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg, die Einführung der elektronischen Krankschreibung wurde dagegen auf 2022 verschoben. Wie sehen Sie Deutschland im europäischen Vergleich aufgestellt?

Schon 2003 hat die Politik beschlossen, eine elektronische Gesund­heits­karte einzuführen. Und dann haben wir das über 15 Jahre nicht auf die Reihe bekommen. Nicht nur wegen vielfältiger technischer Probleme, sondern auch weil die Verbände der Akteure im Gesundheitswesen, also Ärzte, Apotheker, Krankenkassen etc., sich gegenseitig lange blockiert haben. Dadurch sind wir im europäischen Vergleich ziemlich weit nach hinten gefallen.

Zur Person

Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem ist Professor für Medizin­management an der Universität Duisburg-Essen und angesehener Politikberater. Im Rahmen seiner Laufbahn gehörte Prof. Dr. Wasem diversen wissenschaftlichen Gremien an. So leitete er beispielsweise von 1994 bis 1996 die von der Bundesregierung eingesetzte „Unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Krankenversicherten im Alter“. Die Vorschläge sind weit­gehend bei der „GKV-Gesundheits­reform 2000“ berücksichtigt worden. 2001 bildete Prof. Dr. Wasem mit Karl W. Lauterbach, Bert Rürup und Gerd Glaeske eine Expertengruppe, die Eckpunkte für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens vorlegte. Seit 2020 ist der Gesundheitsökonom Vorsitzender der Schiedsstelle für die Vergütung digitaler Gesundheits-Apps in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2021, Seite 38 f. und in unserem ePaper.

Anmerkung: Das Interview wurde im Februar 2021 geführt.

Bild oben: © blacksalmon – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem