Ein Artikel von Smaro Sideri, Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht, Referentin für arbeitsrechtliche Seminare, Podcasthost von „Attraktive Arbeitgeber“
Das Thema Pflege von Angehörigen betrifft heute schon viele Menschen und wird in Zukunft immer relevanter und immer mehr Beschäftigte betreffen, die pflegebedürftige Angehörige haben und zwischen Beruf und Pflege hin- und herjonglieren und einen anstrengenden Spagat leisten müssen. Hier gibt es zwei Gesetze, die Beschäftigte entlasten und in dieser schwierigen Situation unterstützen, die jedoch kaum bekannt sind und deshalb auch in der Praxis kaum genutzt werden: das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz.
Was ist die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz?
Die Pflegezeit bedeutet, dass Beschäftigte bei ihrem Arbeitgeber beantragen können, komplett bis zu sechs Monate freigestellt zu werden, um Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Sie können auch eine Kombination zwischen kompletter Freistellung und Teilzeitbeschäftigung wählen, zum Beispiel zwei Monate eine komplette Freistellung als Pflegezeit und vier Monate Pflegezeit plus Teilzeitbeschäftigung.
Hier stecken schon ein paar Voraussetzungen drin. Es geht nämlich um eine Situation, in der Beschäftigte in einem Anstellungsverhältnis pflegebedürftige Angehörige haben, die sie pflegen möchten. Das Pflegezeitgesetz definiert in § 7 Abs. 3 PflegeZG den Kreis der Angehörigen, der sehr weit geht: Nicht nur die Eltern oder die Kinder werden darunter gefasst, sondern auch die Groß-eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Geschwister, Ehegatten der Ge-schwister, Adoptiv- und Pflegekinder und einige mehr. Hier hat der Gesetzgeber versucht, so viele Familienkonstellationen wie möglich zu erfassen.
Was bedeutet „pflegebedürftig“?
Der Begriff der Pflegebedürftigkeit wird in § 7 Abs. 4 PflegeZG und in §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch 11 zur Pflegeversicherung definiert. Dort steht: „Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.“ Es geht also um den festgestellten Pflegegrad. Wenn eine Begutachtung zur Ermittlung des Pflegegrads noch nicht stattgefunden hat, dann ist auf die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit abzustellen.
Die pflegebedürftigen Angehörigen müssen auch nicht in Deutschland leben, sondern können auch im Ausland leben. Es können somit Beschäftigte in Deutschland auch Pflegezeit für einen im Ausland pflegebedürftigen Angehörigen nehmen, sofern der Angehörige in häuslicher Umgebung, also nicht in einer Pflegeeinrichtung gepflegt wird.
Möchten z. B. Geschwister die Pflege eines Elternteils übernehmen, können sie die Pflegezeit beide gleichzeitig oder nacheinander bei ihren jeweiligen Arbeitgebern in Anspruch nehmen. Die Pflegezeit kann pro Angehörigem einmal genommen werden. Tritt aber für einen anderen Angehörigen Pflegebedürftigkeit ein, kann erneut Pflegezeit genommen werden. Der Anspruch auf Pflegezeit besteht für Arbeitnehmer/-innen nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten. Natürlich kann die Pflegezeit in kleineren Unternehmen auf freiwilliger Basis gewährt werden.
Besonderer Kündigungsschutz
Es ist ein Antrag, der frei formuliert werden kann, beim Arbeitgeber einzureichen mit einer Frist von zehn Tagen vor dem Beginn der Pflegezeit und der Angabe, für welchen Angehörigen und für welche Dauer Pflegezeit beansprucht wird.
Wichtig ist zu wissen, dass, sobald diese Pflegezeit in einem Arbeitsverhältnis beantragt wird, ein besonderer Kündigungsschutz nach dem Pflegezeitgesetz für die Dauer der Pflegezeit greift. Das heißt, in dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nicht gekündigt werden. In der Pflegezeit sind Arbeitnehmer/-innen weiterhin in der Sozialversicherung versichert. Während der Pflegezeit wird keine Vergütung vom Arbeitgeber bezahlt und es existiert auch keine Ersatzleistung, wie das etwa beim Elterngeld bekannt ist. Hier können Zeitwertkonten helfen, die in einem Unternehmen eingerichtet werden können. Diese Zeitwertkonten sind besondere Arbeitszeitkonten, die auch insolvenzgesichert sind und auf die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Laufe des Arbeitsverhältnisses ansparen können. In einer Pflegesituation kann dann aus diesem Zeitwertkonto angespartes Geld herausgenommen werden. Hier kann eine Variante der Pflegezeit helfen mit einer weiteren gesetzlichen Regelung: dem Familienpflegezeitgesetz.
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