Von Dr. Stephan Groll, Projektleiter, und Torben Tietz, geschäftsführender Partner der MSR Consulting Group
In der Niedrigzinsphase fokussieren sich Bausparkassen, aber auch Unternehmen mit großen Kapitalstöcken wie Versicherer vermehrt auf die Baufinanzierung. Auch die Zahl der Vermittler von Baufinanzierungsprodukten nimmt zu. Finanzvertriebe haben sich das Thema auf ihre Fahnen geschrieben. Neue Player wie Direktbanken und FinTechs nutzen Online-Vertriebswege deutlich professioneller als die Etablierten. Baufinanzierer sind zudem einer kontinuierlichen Veränderung der regulatorischen Anforderungen ausgesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die neue Zahlungsdiensterichtlinie PSD2. Die Möglichkeiten, die sich daraus bieten, sind Fluch (für etablierte Player) und Segen (für neue Player) zugleich. Nicht zuletzt verändern sich Kundenbedürfnisse und -anforderungen. Vor diesem Markthintergrund ergibt sich ein strategisches Spielfeld mit drei Handlungsfeldern für Baufinanzierer:
1. Denken in Ökosystemen
Grob gesagt, geht es für Baufinanzierer um drei Erfolgsfaktoren:
- Kundengewinnung = Kundenzugang + relevantes Angebot
- Ertragreiche Kundenbeziehungen = effiziente Prozesse + Erweiterung der Wertschöpfung
- Kundenbindung = Cross-/Up-Selling + Weiterempfehlungen
Um erfolgreich zu sein, sollten Baufinanzierer in Ökosystemen denken. Dabei geht es darum, die Kundenbedürfnisse perfekt zu verstehen und Angebot sowie Kommunikation optimal darauf abzustimmen. Die Sicht auf die Customer Journey hilft dabei.
Vor der Baufinanzierung: Wenn das Kundenverhalten bekannt ist, kann systematisch geplant werden, wie das eigene Angebot optimal platziert werden kann. Wenn ein lukratives Geschäftsfeld gut zur Kernkompetenz des Anbieters passt, kann eine Angebotserweiterung sinnvoll sein. Ein naheliegendes Beispiel ist das Angebot von Immobilienvermittlung.
Baufinanzierung: Auch im Rahmen der originären Kundenreise mit dem Baufinanzierer können Leistungen additiv erweitert werden. Vom Gutachten über das Angebot von Smart-Home-Lösungen bis zur Wohnungseinrichtung ist viel vorstellbar. Wesentlich für den Erfolg ist eine digitale Schnittstelle zum Kunden, da diese die Einbindung externer Serviceangebote ermöglicht.
Nach der Baufinanzierung: Baufinanzierer sollten sich bewusst machen, dass die Kundenreise mit der Auszahlung des Darlehens nicht beendet ist. Für den Kunden kommt jetzt die hochemotionale Phase des Einzugs in die neue Immobilie. Auch hier ergeben sich viele Möglichkeiten, über das Thema Wohnen in Kontakt zu bleiben (z. B. das Thema Gartenpflege). So ergeben sich große Potenziale, die Kundenbeziehung aktiv zu halten. Im Hinblick auf Weiterempfehlungen und Kundenbindung kann der Kontakt zum Kunden wesentlich zum Erfolg beitragen.
Anbieter können mit einem in einem Ökosystem integrierten Angebot ihr Wissen über den Kunden ausbauen und passgenaue Lösungen für ihre Kunden anbieten. Wenn das Angebot perfekt zu den Bedürfnissen passt, steigt auch die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Bei der Entwicklung von Angeboten im Ökosystem ist es entscheidend, das Verständnis der Kundenbedürfnisse mit möglichen Angeboten abzugleichen und dann einen passenden Verkaufsansatz zu entwickeln. Wichtig dabei: Das Angebot muss sich rechnen. Insofern ist immer eine Kalibrierung aus Kundennutzen und Kosten für Bereitstellung sowie zusätzlichen Erlösen notwendig.
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