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24. September 2022
Possenspiel in Nordfriesland und die Frage nach der Kündigung

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two businessmen arguing

Possenspiel in Nordfriesland und die Frage nach der Kündigung

Zweite Eskalation

Am 14.10.2021 teilt der Assekuradeur Frau K. mit, er sei im Rahmen einer regelmäßigen Überprüfung des Marktes bei ihrem Vertrag zu dem Ergebnis gekommen, den Versicherer zu wechseln und gleichzeitig ein „beitragsneutrales TarifUpdate“ zu gewähren. Dem Schreiben beigefügt ist ein neuer Versicherungsschein mit neuem Risikoträger und neuer Versicherungsnummer. Der Einzug des Jahresbeitrages per Lastschrift wird für den 01.11.2021 avisiert.

Am 26.10.2021 schickt der VVaG Frau K. zu der „alten“ Ver­sicherungscheinnummer eine Beitragsrechnung für den Zeitraum vom 01.11.2021 bis zum 01.11.2022. Frau K. hat mittlerweile längst den Überblick verloren, zumal die Firmierung der beiden Akteure zum Verwechseln ähnlich ist und Frau K. sowieso nicht weiß, welche Unterschiede zwischen einem Risikoträger, einem Assekuradeur und einem Versicherungsmakler bestehen. Ihr Ausgangsvermittler war ohnedies ein ganz anderer, nämlich die Swiss Life Select Deutschland GmbH. Wieder vertraut Frau K. auf den erfolgten Beitragseinzug und kümmert sich nicht weiter um die Sache.

Showdown

Ein gutes halbes Jahr später, am 23.06.2022, mahnt der VVaG Frau K. wegen des Jahresbeitrages vom 01.11.2021 bis zum 01.11.2022 gemäß § 38 VVG. Wiederum ist der Mahnung eine Kundeninformation beigefügt, die abermals auf das Schreiben des VVaG vom 16.10.2020 Bezug nimmt und auch im Übrigen inhaltlich der Kundeninformation vom 20.05.2021 entspricht.

Mittlerweile völlig verunsichert ruft Frau K. wütend beim Assekuradeur an und bittet um Klärung. Mit Schreiben vom 19.07.2022 versucht dieser eine Erläuterung des Sachverhaltes. Er verweist zunächst abermals auf seine umfangreichen Vollmachten durch die entsprechenden Risikoträger und teilt dann mit, dass er im September 2020 den Versicherungsvertrag der Frau K. beim VVaG zum 01.11.2021 (!) gekündigt und beim neuen Risikoträger abgeschlossen habe. Kein Wort davon, dass er mit Schreiben vom 19.10.2020 Änderungen beim Risikoträger bereits zum 01.11.2020 angekündigt hatte. Frau K. sei also über ihn beim neuen Risikoträger versichert. Die Aussage des VVaG, dass der Vertrag der Frau K. dort rechtsgültig bestehe, könne er nicht bestätigen. Der Eingang der Jahresprämie vom 01.11.2021 bis zum 01.11.2022 werde bestätigt. Demnach bestehe Versicherungsschutz über den neuen Risikoträger.

Völlig entnervt kündigt Frau K. ihren Wohngebäudeversicherungsvertrag sowohl beim VVaG als auch beim Assekuradeur. Beide Akteure bestätigen jeweils die Aufhebung des Vertrages.

Fatale Signale

Beide Versicherungsvertreiber haben der Branche einen Bärendienst erwiesen und großen Schaden zugefügt. Dem Vernehmen nach konnte noch nicht einmal der Ombudsmann die Parteien zu einer vernünftigen Beilegung ihres Streites bewegen. Es ist erbärmlich, wenn Versicherungsvertreiber nicht in der Lage sind, ein bestehendes Rechtsverhältnis richtig und würdig zu beendigen. Soweit ersichtlich, streiten die Parteien wechselseitig über die Rechtmäßigkeit ihrer Kündigungen. Eigentlich banal. Kündigung ist eine einseitige, zugangsbedürftige Willenserklärung. Bestreitet der Empfänger den Erhalt, muss der Kündigende den Zugang der Kündigung beweisen. Dazu und zu Rechtsfragen rund um die Rechtsfigur des Assekuradeurs demnächst mehr an dieser Stelle.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2022, S. 92 f., und in unserem ePaper.

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