Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler
Trotz nicht verstummender Kritik insbesondere aus dem Lager der Verbraucherschützer, trotz zahlreicher gesetzgeberischer Maßnahmen (VVG-Reform, LVRG, Versicherungsvertriebsrichtlinie) und trotz Diskussionen über Provisionsdeckel oder Provisionsrichtwerte hat sich die kapitalbildende Lebensversicherung bis heute ohne wesentliche Änderungen bei der Vergütung erhalten. Nun hat die BaFin den Entwurf eines Merkblatts zur Konsultation gestellt, in dem sie ihr Verständnis formuliert, wie die „wohlverhaltensaufsichtlichen“ Vorgaben der IDD (Artikel V, Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln) in der Praxis umgesetzt werden können. Ein Überblick.
Seit Jahrzehnten steht die kapitalbildende Lebensversicherung im Kreuzfeuer der Kritik. Stetig im Fokus der Kritik: Art und Umfang der Vergütung. Der Vorwurf: Vermittler stopfen sich die Taschen voll, Kunden schauen in die Röhre. Tatsächlich betrugen 2021 die ausgezahlten Leistungen aus Haupt- und Zusatzversicherungen insgesamt 84,5 Mrd. Euro. Eine volkswirtschaftlich beachtliche Größe.
Hintergrund
Versicherungsvermittler erhalten als Vergütung für ihren Vermittlungserfolg eine Abschlussprovision. Bemessungsgrundlage für die Abschlussprovision ist die Beitragssumme (Summe aller Beiträge) des Vertrages oder eine abgeleitete Größe. Seit August Zillmer werden die Abschlusskosten zwar kalkulatorisch über die gesamte Laufzeit des Vertrages verteilt. Dabei wird aber der Vertrag in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit mit einem deutlich höheren Kostenanteil belastet. Dies ist gerade bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages für den Kunden nachteilig. Allerdings haben gesetzgeberische Maßnahmen (VVG-Reform, LVRG) in der Vergangenheit diesen Effekt etwas abgemildert.
Inhalt des Merkblatts
Das Merkblatt stützt sich auf die „wohlverhaltensaufsichtlichen“ Vorgaben der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) zum Produktfreigabeverfahren (Art. 25 IDD) sowie zur Vertriebsvergütung und zu Interessenkonflikten (Art. 17 Abs. 3, Art. 27, Art. 28, 29 Abs. 2 IDD), die entsprechenden delegierten Verordnungen der Europäischen Kommission (DV 2017/2358 und DV 2017/2359) und die nationalen Vorschriften der §§ 23, 48a VAG. Es gilt für alle Lebensversicherungsprodukte mit Sparkomponente, ausdrücklich auch für Direktversicherungen, Riester- und Basisrenten.
Inhaltlich formuliert das Merkblatt das Verständnis der BaFin, welche konkreten Pflichten sich aus den genannten Vorschriften für Versicherer ergeben. Darüber hinaus enthält es beispielhafte Hinweise zur Erfüllung der Vorgaben. Die Hinweise sollen es Versicherern ermöglichen, unter Berücksichtigung der von der BaFin bereitgestellten Risikoindikatoren angemessene Ergebnisse für die Versicherungsnehmer bei der Anwendung der „wohlverhaltensaufsichtlichen“ Vorgaben zu ermöglichen. Die BaFin erwartet dabei eine unternehmenseigene Feststellung des Kundennutzens im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens sowie eine unternehmenseigene Prüfung von Fehlanreizen in der Vertriebsvergütung und gibt dazu weitere Hinweise.
Seite 1 BaFin: Wohlverhaltensaufsichtliche Aspekte bei kapitalbildenden LV-Produkten
Seite 2 Feststellung des Kundennutzens im Rahmen des Produktfreigabeverfahrens
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können