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7. Oktober 2020
Erbrecht: Wann beginnt die Zehnjahresfrist?

Erbrecht: Wann beginnt die Zehnjahresfrist?

Wenn eine Schenkung zehn Jahre oder länger vor dem Erbfall getätigt wurde, zählt sie nicht zum Erbe. Wann diese Zehnjahresfrist jedoch zu laufen beginnt, wenn der Erblasser eine Immobilie verschenkt, sich aber ein lebenslanges Nutzungs- und Wohnrecht einräumt, musste nun das OLG Zweibrücken klären.

Streitereien ums Erbe sind keine Seltenheit. Da ist es von Vorteil, wenn zumindest Klarheit über den Umfang des zu verteilenden Nachlasses besteht. Wenn jedoch einer der Erben zuvor vom Erblasser auch noch eine Schenkung erhalten hat, wird die Sache komplizierter. Muss die Schenkung dem Nachlass zugerechnet werden? Üblicherweise lautet die Antwort ja. Im ersten Jahr vor dem Erbfall in vollem Umfang, anschließend nur noch anteilig. Ist die Schenkung zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt, bleibt sie unberücksichtigt. Doch ab welchem Zeitpunkt ist so eine Schenkung erfolgt? Klingt nach einer einfach zu beantwortenden Frage. Doch ein Fall, der schließlich vom Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken geklärt werden musste, beweist das Gegenteil.

Sohn und Enkel haben Erbansprüche

Ein Frau war verstorben und hatte zwei gesetzliche Erben hinterlassen. Bei dem einen handelte es sich um ihren Sohn und beim anderen um ihren Enkel, dessen Vater bereits zuvor verstorben war. Zum Erbe zählte auch das Haus der Erblasserin und genau an diesem Teil ihres Vermögens entzündete sich ein Streit.

Wann beginnt die Zehnjahresfrist zu laufen?

Die Frau hatte das Haus nämlich bereits zwölf Jahre vor ihrem Tod auf ihren Sohn übertragen, sich jedoch notariell ein Wohnrecht, ein Nutzungsrecht und eine Rückübertragungsverpflichtung vorbehalten. Der Enkel der Erblasserin nahm diesen Umstand zum Anlass, um den Beginn der Zehnjahresfrist anzuzweifeln. Da seine Großmutter immer noch in dem Haus gewohnt habe, hätte die Frist nie zu laufen begonnen bzw. frühestens mit ihrem Tod. Folglich müsse das Haus dem Erbe der Frau hinzugerechnet werden. Im konkreten Fall hätte der Enkel deshalb einen Anspruch auf einen Anteil des Hauses im Wert von über 53.000 Euro erwirkt.

Fristlauf hat mit Schenkungsvollzug begonnen

Das Landgericht hatte die Klage des Enkels abgewiesen und auch im Berufungsverfahren vor dem OLG Zweibrücken war ihm kein Erfolg beschieden. Nach Ansicht der OLG-Richter bleibt die Schenkung aufgrund des Ablaufs der Zehnjahresfrist unberücksichtigt. Dass sich die Erblasserin ein Wohn- und Nutzungsrecht sowie ein Rückforderungsrecht eingeräumt habe, stehe dem Beginn des Fristlaufs nicht entgegen. Der Grund dafür liege darin, dass sich die Erblasserin lediglich ein Wohn- bzw. Nutzungsrecht auf das Erdgeschoss gesichert hatte. Der Sohn war somit der eigentliche „Herr im Haus“.

Sohn hat Rückforderungsanspruch unter seiner Kontrolle

Ähnlich sahen die Richter das eingeräumte Rückforderungsrecht der Frau, das ebenfalls nicht den Fristlauf behindere. Das Recht zur Rückforderung sei nämlich nicht ausschließlich vom Willen der Erblasserin abhängig gewesen, sondern war an ein bestimmtes Verhalten des Sohnes geknüpft. Somit hatte dieser auch die Kontrolle darüber, ob die Schenkung von Dauer sein würde.

Wer ist der „Herr im Haus“?

Das Urteil ist auch deshalb interessant, weil der BGH 2016 in einem ähnlich gelagerten Fall (Az.: IV ZR 474/15) entschieden hatte, dass der Beginn des Fristlaufs gemäß § 2325 Abs. 3 BGB gehindert wird, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung ein Wohnrecht vorbehält. Die Bundesrichter stellten damals jedoch klar, dass der Fristlauf nicht grundsätzlich gehindert sei. Wenn der spätere Erblasser mit Vollzug des Übergabevertrags nicht mehr als „Herr im Haus“ anzusehen sei, könne die Frist dennoch zu laufen beginnen, entschied das Gericht damals. Eben das traf nach Überzeugung des OLG im aktuellen Fall zu. Der Enkel hat keinen Anspruch auf einen Anteil am Haus.(tku)

OLG Zweibrücken, Urteil vom 01.09.2020, Az.: 5 U 50/19

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