AssCompact suche
Home
Assekuranz
19. August 2022
Altersvorsorge braucht Wettbewerb von Finanzprodukten

4 / 5

Altersvorsorge braucht Wettbewerb von Finanzprodukten

Und wie lautet denn der konstruktive Vorschlag seitens des BdV?

Die Provision sollte sich an der garantierten versicherten Leistung orientieren. Aber das möchte die Branche nicht, weil sie keine vernünftigen Garantien mehr darstellen will. Ein historischer Vergleich belegt: Heute erhält ein Vermittler, gemessen an der versicherten Leistung, ein Vielfaches dessen, was er vor 20 oder gar 30 Jahren dafür bekommen hätte. Diese Gier schadet der Vermittlerschaft, das kratzt ordentlich an ihrem Renommee.

Umgekehrt stärkt es aber eben doch die Altersvor­sorge, wenn die Versicherer nun weniger Garantien geben und damit die Aktienquote ordentlich erhöhen können, weil sie damit für ihre Kunden eine höhere Rendite erwirken können.

Wenn die Versicherer tatsächlich ein Interesse daran hätten, die Aktienquote hochzufahren, hätten sie es auch schon deutlich früher machen können. Das Beratungsunternehmen Zielke Research Consult hat in einer Analyse gezeigt, dass die Versicherer, wenn sie ein bisschen mutiger in den Kapitalmarkt investiert hätten, sehr viele der Probleme der letzten zehn Jahre hätten vermeiden können – und das auch ohne neue Gesetze!

Was die Versicherer sehr gut können, ist, Garantien im biometrischen Bereich zu geben, wenn es also um Invaliditäts- oder auch Todesfallrisiken geht. Was die Versicherungswirtschaft aus meiner Warte heraus offensichtlich aber nicht beherrscht, sind hingegen Produkte mit Verrentungen. Der Fehler liegt nun darin, dass die Vermittlerschaft von den Versicherern auf die Vermittlung von kapitalbildenden Versicherungen getrimmt wurde, um über diese Produkte an eine hohe Provision zu gelangen. Die Versicherungswirtschaft verfolgt hier in meinen Augen eine falsche Provisionspolitik, weil schlechte Produkte hoch und gute Produkte gering provisioniert werden. Die Versicherer tragen demnach den Hauptteil der Misere. Und die Vermittlerschaft? Zumindest zu einem Teil zählt sie – wie die Versicherten – zu den Betroffenen dieser schlechten Unternehmenspolitik.

Welcher Weg der Altersvorsorge ist denn aus Ihrer Sicht dann besonders verbraucherfreundlich?

Wenn es um Ansparvorgänge geht – und ohne Betrachtung der individuellen Geeignetheit –, ist ein ETF-Sparplan einfach deutlich besser geeignet als eine Lebensversicherung. So wie deutsche Lebensversicherer aufgestellt sind, sind sie eben nicht fähig, vernünftige und lang laufende Sparprodukte anzubieten. Grundsätzlich sollte man sich beim Thema Altersvorsorge davon lösen, bestimmte Produkte wie kapitalbildende Versicherungen zu präferieren. Denn was wir bei diesem gesellschaftlich ungemein wichtigen Thema brauchen, ist ein Wettbewerb der unterschiedlichen Finanzprodukte – auch jenseits der Versicherungswelt!

Im Zusammenhang mit der individuellen Altersvorsorge hat der BdV eine sogenannte „Basisdepot-Vorsorge“ vorgeschlagen. Was meinen Sie damit konkret?

Die Idee der „Basisdepot-Vorsorge“ ist, dass es sich um einen von einem Finanzdienstleister zur Verfügung gestellten Mantel für die individuelle Vorsorge handelt, sobald ein Verbraucher für das Alter Geld beiseitelegen möchte. Darin würden sämtliche Produkte, die es auf dem Markt gibt, miteinander konkurrieren und verglichen werden können. In dieses Depot würden auch die steuerliche Förderung und weitere Zulagen fließen. Und mein Gefühl ist, dass darin eine kapitalbildende Versicherung etwa im Vergleich mit einem ETF-Sparplan nicht besonders gut abschneiden würde. Ich fordere ja nicht, dass die Versicherungswirtschaft bei der Altersvorsorge außen vor bleiben sollte. Nein, ganz und gar nicht. Aber sie soll sich dem Wettbewerb der verschiedenen Möglichkeiten stellen.

 
Ein Interview mit
Axel Kleinlein